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Eine Welt-Illusion

Text: Gedankenkarussel
Ich möchte in einer Welt leben, in der Gastfreundschaft nichts besonderes mehr ist. In der keine Geschichten in den Medien auftauchen, wie nett das deutsche Ehepaar von den ausländischen Mitbürgern behandelt wurde, um aufzuzeigen wie höflich doch diese Flüchtenden sind. Ich möchte in einer Welt leben, in der solche Beispiele nicht nötig sind, weil es niemanden gibt, der schlecht über Flüchtende denkt. Ich möchte in einer Welt leben, in der es keinen „Fakten-Check“ im Radio gibt, der beweisen soll, dass Flüchtende nicht an der Babymilchpulver-Knappheit in deutschen Supermärkten schuld sind. In einer Welt, in der es in Ordnung ist, dass man eben mal nur 6 statt 10 Dosen Babymilchpulver kaufen kann und dafür jedes Baby auf dieser Welt genug Milch bekommt. Ich möchte in einer Welt leben, in der eine deutsche Mutter gerne auf Hamsterkäufe verzichtet, weil ihr nicht nur das Wohl ihres eigenen Babys wichtig ist, sondern auch das des Babys der syrischen Nachbarin. In einer Welt, in der Teilen normal ist. Ich möchte in einer Welt leben, in der nicht in der lokalen Zeitung steht, dass man Ausländerfeindliche nicht stigmatisieren solle und ihre Vorurteile stattdessen ernst nehmen müsse. Ich möchte in einer Welt leben, in der keinen Platz für Vorurteile und Ausländerfeindlichkeit gibt. Ich möchte in einer Welt leben, in der man nicht Menschen die Zunge rausstrecken muss, weil sie einen anstarren, wenn man mit drei somalischen Jugendlichen unterwegs ist. Schön wäre es, wenn Engagement in der Flüchtlingshilfe nicht mehr erwähnt werden muss, weil es selbstverständlich geworden ist. Ich möchte in einer Welt leben, in der jeder dorthin gehen darf, wo er will. In der nicht drei Jugendliche auf einen Urlaub mit ihren Freunden verzichten müssen, weil er in einem anderen Land stattfinden würde und sie nicht mal die Stadt verlassen dürfen. Manchmal wäre ich gerne wieder acht Jahre. Ich würde auf dem Spielplatz stehen und mich fragen, warum mein bester Freund als Mohrenkopf beleidigt wird, weil mir bis eben gar nicht bewusst war, dass er eine andere Hautfarbe hat.

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