Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Am See

Text: Steinsalz

Wir treffen uns bei mir. Du läufst die Treppe hoch, Frau Schön kommt uns entgegen. Wir könnten nach Stettin fahren, aber es wird Brandenburg. Das Wetter ist großartig. Wir sitzen im Auto und ich erzähle dir von letzter Nacht. Von gebrochenen Herzen und, dass mein Herz immer ein bisschen mitbricht, wenn Paare sich streiten.
Du fasst in meine Haare, sie sind noch ein bisschen nass. Ich liebe es, wie du das machst. Es fühlt sich fast zu gut an, so wie alles an dir.
Wir laufen durch den Wald und sprechen über Talent und, dass wenn man etwas erreichen will, Talent nur nebensächlich ist. Wenn man genug übt, kann man fast alles erreichen, wenn man nur will, vorausgesetzt, die Konstitution dafür ist gegeben. Als Läufer wäre es eben von Vorteil, wenn deine Beine nicht kaputt sind.
Du erzählst von deinen Geschwistern und, dass du ihnen einen Song vorgespielt hast. Sie bewundern dich. Sie sagen dir, dass sie niemals so gut spielen würden, wie du. Du findest die Aussage schwachsinnig, vor allem, weil dein Bruder immer der bessere Musiker von euch beiden war. Ich liebe deine Passion, deine Passion für Musik. Du liebst sie nicht nur, du lebst sie.



Wir sind am See. Mein Geheimtipp mit der Badestelle mitten im Wald ist wohl keiner mehr. Kinder über Kinder über Eltern. Sie tummeln sich an diesem winzigen Ort. Nichts mit Idylle oder Ruhe oder Zweisamkeit. Wir gehen schwimmen.
Das Wasser ist großartig. Klar und kalt, fast sogar ein bisschen zu kalt. Wir plantschen. Als wir das Wasser verlassen fragst du, ob wir weiterziehen.
Wir laufen durch den Wald, weit und breit keine Stelle zum ins Wasser springen oder liegenbleiben.
Du erzählst von E-Mails und, dass es manchmal nichts mehr zum Antworten gibt. Ich finde deine Einstellung sehr strikt. Du sagst, dass du strenger denkst als du dann tatsächlich bist. Dein Beispiel vom Nicht-Antworten ist, dass du nach der 25sten Mail mit: Ich habe dich auf dem Konzert gesehen, mit wem warst du da?, einfach nicht mehr antwortest. Verständlich. Du musst keine Rechenschaft ablegen und ich bin froh, dass ich dich nie frage, mit wem du wann was machst. Ich will nämlich auch nicht, dass du mich das fragst.
Ein Baumstamm im Wasser. Leider von Weitem schöner anzusehen als aus der Nähe. Wir gehen weiter. Gemeinsam durch den Wald. Wie Ronja und Birk.
Fahrradfahrer ziehen vorüber, mal langsamer, mal schneller.
Nichts von dem, worüber wir sprechen ist bedeutungslos. Nie Geplänkel. Ich weiß nicht, ob ich jemals mit jemandem solche Gespräche geführt habe. Ich liebe deine Stimme, deine Gestik, die Wachheit deiner Augen und die Art, wie du mich mit ihnen anschaust. Du gibst mir das Gefühl, dass alles, was ich sage, wichtig ist und bedeutsam. Ich liebe es, wie du Dingen eine Bedeutung gibst, wie du mir eine Bedeutung gibst. Ich fühle mich so endlos leicht mit dir und trotzdem so real.



Wir liegen an einer neuen Badestelle, nicht, dass es dort leerer gewesen wäre. Ein Platz im Schatten. Wir philosophieren über das Heiraten und Hochzeiten von anderen. Darüber, wie albern wir das beide finden. Du wirst niemals heiraten! Gemeinsam lachen wir über die Freundin eines Freundes, die eine Prinzessinnen-Hochzeit will. Prinzessin für einen Tag. Und ich frage mich, was nach diesem einen Tag passiert, dem schönsten ihres Lebens. Wird das Leben für sie danach nie wieder so schön sein?
Noch einmal ins kühle Nass. Jetzt ist es schon ein bisschen wärmer, nur meine Arme wollen noch nicht so richtig eintauchen. Du sagst, ich sehe aus, als würde ich mein Volk begrüßen, so, wie ich meine Arme aus dem Wasser strecke. Ich lache. Du auch.
Wir kuscheln uns wieder auf unsere Decke. Ich würde gern ein bisschen schlafen. Du erzählst. Ich schließe meine Augen und höre dir zu. Ich höre dir einfach zu gerne zu.
Wir bekommen Hunger. Zurück durch den Wald, aber nicht den Weg, den wir gekommen sind. Hinein ist Unbekannte. Internet funktioniert nicht, Telefon nur ab und zu. Eine Blindschleiche. Ich habe seit Jahren keine Blindschleche gesehen. Du auch nicht.
Wir sprechen über Vorschriften und, dass du nicht gerne welche bekommst. Ich kann das gut verstehen, manchmal würde ich zwar gern welche machen, aber da ich selbst so ungern welche bekomme, lasse ich es einfach.
Wir fahren zurück nach Berlin. Halten Händchen. Du streichst mir mit deinen Fingern durch die Haare. Ich liebe das Gefühl.
Wir gehen essen. Ich kann nicht mehr reden. Zwischendurch schweigen wir einfach. Es ist nicht unangenehm, nur friedlich, wortlos.
Noch ein Eis, ich will noch ein Eis. Ab ins Auto und zur Lieblingseisdiele gefahren. This is where it all began.



 

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: