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Wiederkehr: Sorrent sehen und sterben

Text: Zwischenruf

Ich habe mich so beharrlich geweigert, auch nur einen Ort wieder zu betreten, der mit Dir verbunden ist. Erinnerungen sind schmerzhaft, sind bittersüß und lassen sich so verdammt schwer abschütteln. Dumm ist eben nur, dass Du mir einen Großteil der Welt gezeigt hast. Es ist ein bisschen, als wäre die Tür zum Paradies mit einem endgültigen Krachen ins Schloss gefallen und ich würde verdutzt davorstehen und nach dem Schlüssel suchen.



Wenn ich also nächstes Jahr an dieses verzauberte Stückchen Küste fahren werde, in dieses goldene Sonnenlicht, das so untrennbar mit Dir verbunden ist, dann weiß ich nicht, was es mit mir machen wird. Dieser kleine Ort hat das Potential zur Katastrophe. Das hat er schon vor fünfzehn Jahren bewiesen. Fast wäre ich damals im Meer ertrunken, zusammen mit zwanzig anderen. Sie waren panisch, ich habe gelacht, weil ich wusste, dass mir nichts passieren kann, wenn Du da bist. Und Du hast genau diese Theorie bewiesen. Deiner Stimme nach zu urteilen warst Du kurz davor von der Nock aus ins Wasser zu springen, die Hilflosigkeit und das Entsetzen haben Dir damals Flügel verliehen, aber sie haben das nicht gesehen, die Angst hat sie blind gemacht. Ich kann mich gut an Dein kalkweißes Gesicht erinnern, an Deine weit aufgerissenen Augen und am liebsten hätte ich sie allen gezeigt, denn sie beweisen alles. Nicht schuldig im Sinne der Anklage.



Aber es gibt auch diese andere Erinnerung, Dein fester und sicherer Griff um meinen Arm. Du bist einer der wenigen gewesen, der keine blauen Flecken hinterlassen hat, aber das ist wohl nicht weiter erstaunlich. Du hattest das Talent, mich zu behüten, ohne mir die Flügel zu stutzen und wehzutun mit Vermutungen, Unterstellungen. Du hast mir vertraut und mir gezeigt, wie man die Flügel in den Wind stellt, damit man sich über die Wellen schrauben kann. Ich habe so viel von Dir gelernt.



Du hast ganz schön viel angerichtet mit diesem kleinen Leben, das damals einfach so in Dich hineingesegelt ist und das plötzlich kommen und gehen durfte, wie es wollte. Wenn ich also im Hafen stehe, der nun wirklich für alles zu klein ist und die Sonne untergeht, die Steilküste in diesen Goldton taucht und man an kitschige Filme aus Italien aus den 50ern denkt, dann weißt Du, was ich mir wünsche, auch wenn Du am anderen Ende der Welt tenderst. Einmal mit Dir in Sorrent stehen, den Sonnenuntergang sehen und sterben. Neapel haben wir schließlich nur um ein paar Kilometer verfehlt.

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