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Sie

Text: Zwischenruf

Sie steht am Kai und trägt diese unsägliche Uniform in Türkisblau mit einer Anmut, die mich sofort unsicher macht. Ihre Sonnenbrille verbirgt ihre Augen und einen Großteil ihres Gesicht. Die Haare wagen es nicht, im Wind zu flattern, sondern liegen brav im Pferdeschwanz. Sie hat das Walkie Talkie routiniert in der Hand, die neongelbe Warnweste lässig über dem Arm und sie ist so sehr Profi, dass ich davonlaufen möchte. Ich möchte fragen, ob man ihr noch die alten Regeln beigebracht hat: Wir helfen einander. Wir stehen füreinander ein. Aber das wage ich nicht.



Stattdessen frage ich sie, ob sie Englisch spricht. Sie antwortet akzentfrei und souverän. Und da bin ich erleichtert. Zumindest auf irgendeiner Ebene sprechen wir die gleiche Sprache - auch wenn meine Haare ein Mob im Seewind sind, auch wenn ich nie anmutig und routiniert sein werde. Und plötzlich taucht hinter unsäglicher Uniform und riesiger Sonnenbrille Überraschung auf, sie fragt nach, spricht mit mir und wir sprechen mehr als nur Englisch miteinander. Es sprechen zwei Frauen miteinander, die nicht mehr ganz jung sind, aber jung genug, um verrückt sein zu können und dabei nur ein bisschen albern zu wirken.



Sie nimmt die Sonnenbrille genau so wenig vom Gesicht wie ich und ich sehe, dass wir uns ähnlicher sind als ich dachte. Jede auf ihrem Gebiet souverän, jede unsicher und jede voll von Träumen, die nicht in Erfüllung gehen werden und die es doch wert sind, einmal um den Globus gejagt zu werden.



Sie lächelt, immer noch überrascht, und sagte: "A friend?" - "Well, yes, a friend." Und dann merke ich, dass sie die alten Regeln genau so kennt wie ich: Sie wird mir helfen, sie wird für mich einstehen. An ihr wird es nicht liegen. Sie geht davon, schaut sich nicht um und ich mache es genauso. Ich glaube, ich kann mich auf sie verlassen. Zumindest für einen Teil des Weges.

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