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Die Jobbörse für Flüchtlinge

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Jetzt.de: Erstmal herzlichen Glückwunsch, den Bachelor dürftet ihr wohl bestanden haben. Euer Projekt bekommt gerade viel Aufmerksamkeit. Worum geht es bei workeer?
David: Wir studieren eigentlich Kommunikationsdesign. Unsere Abschlussarbeit wollten wir aber einem politisch relevanten Thema widmen, das uns auch privat am Herzen liegt. Der Bereich „Arbeit“ ist für viele Flüchtlinge eine der größten Hürden. Genau da wollten wir ansetzen. Die Idee ist simpel: Arbeitgeber laden ihre Jobangebote hoch und die Flüchtlinge erstellen ein Profil mit ihren Gesuchen. Dann finden sich beide, und im Idealfall entsteht ein Arbeitsverhältnis.  

Macht sich auch ganz gut im Lebenslauf, oder?
David: Man kann nicht leugnen, dass wir in erster Linie Designer sind. Klar fließt das in unser Portfolio ein. Aber wir haben vor allem eine ideelle Motivation, uns einer gesellschaftlich relevanten Thematik zu widmen. Und der Arbeitsmarkt für Flüchtlinge ist stark verbesserungswürdig.
Philipp: Was die politische Komponente angeht, sind wir ziemlich ins kalte Wasser gesprungen. Im Rahmen der Recherche haben wir dann aber viele Kontakte zu Flüchtlingen, Initiativen und Unterstützern aufgebaut.
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

 David und Philipp.  

Die Homepage „Flüchtlinge Willkommen“, auf der WGs für Geflüchtete vermittelt werden, ist auch an eurer Hochschule entstanden und ähnlich stylisch aufbereitet.
David: Stimmt. Das Thema wird immer häufiger aufgegriffen. Als Designer haben wir die Chance, komplexe Dinge konzeptionell und visuell verständlich aufzubereiten.
Philipp: Und dann kommt ja noch der Teil „Kommunikation“ dazu. Also: Wie können wir Probleme darstellen und möglichst einfache und nachvollziehbare Lösungsansätze liefern? Es gibt viele schlaue Initiativen, aber designtechnisch haben die oft große Defizite und sprechen nur eine Gruppe von Leuten an, die sich eh schon engagiert. Und die Optik spielt eben auch bei gesellschaftlichem Engagement eine Rolle.  

Wie tief musstet ihr euch als Designer in die arbeitsrechtliche Lage von Geflüchteten einarbeiten?
David: Das Thema ist wahnsinnig komplex. Je nach Aufenthaltsstatus muss man sich da jedes Mal individuell einfuchsen. 
Philipp: Unsere Website soll eher als Plattform verstanden werden. Die einzelnen Bewerbungen müssen alle noch mal vom Arbeitsamt oder den zuständigen Behörden geprüft werden. Eine Aufgabe, die wir mit unserer Plattform leider nicht vereinfachen können.  

Warum sollten die Unternehmen diesen bürokratischen Hürdenlauf auf sich nehmen?
David: Wir laden bald eine Schritt-für-Schritt-Anleitung hoch. Klar steht das Rechtliche unserer Idee noch ein bisschen im Weg. Wenn aber immer mehr Unternehmen die Plattform nutzen, kann das auch andere ermutigen, sich dem Bürokratieaufwand zu stellen.
Philipp: Außerdem gibt es in vielen Bereichen, zum Beispiel in der Pflege oder den Ingenieursberufen, einen ganz offensichtlichen Fachkräftemangel. Da sind Qualifikationen gefragt, die viele Flüchtlinge schon mitbringen. Hinzu kommt der Austausch von internationalem Expertenwissen, den viele Arbeitgeber oft unterschätzen.  

Besteht die Gefahr, dass Unternehmen workeer nutzen, um ihr soziales Image aufzupolieren? David: Glaube ich nicht. Es ist schon ein höherer Aufwand, sich mit den rechtlichen Bedingungen auseinanderzusetzen. Firmen, denen es nur ums Image geht, würden die Anstrengung nicht unternehmen.  
Philipp: Und selbst wenn, dann werden sie halt zum Vorbild für andere Firmen, die dann auch mitmachen wollen.  

Bisher sind fünf Jobs verfügbar, welche sind das?
David: Ganz unterschiedlich. Unter anderem: eine unbefristete Floristenstelle, ein Verlagshersteller in Festanstellung, ein Senior Java Script Developer, auch in Festanstellung.  

Das klingt nach ganz attraktiven Stellen. Wir hätten auch unangenehmere Jobs erwartet. Filtert ihr die Angebote noch mal, bevor sie online gehen?
Philipp: Wir sind ja heute erst online gegangen. Wir werden erst nach ein paar Tagen oder Wochen sagen können, welche Jobs hauptsächlich angeboten werden. 
David: Wenn was ganz Zwielichtiges angeboten würde, oder wir das Gefühl hätten, dass Rechtsradikale uns ausnutzen, müssten wir schon eingreifen. Natürlich wollen wir, dass auf workeer attraktive Jobs mit Zukunftsperspektive angeboten werden. Es ist aber eigentlich nicht unsere Aufgabe, die Jobs in „gut“ oder „schlecht“ einzuteilen.  

Wie werde ich als jemand, der gerade in Deutschland angekommen ist und die Sprache noch nicht spricht, auf euch aufmerksam?
David: Während der Recherchephase haben wir in vielen Berliner Flüchtlingswohnheimen Werbung gemacht. Jetzt hoffen wir auf das Schneeballprinzip. Außerdem wollen wir die Website unbedingt noch in weitere Sprachen übersetzen.
Philipp: Ah! Gerade hat sich der Erste registriert. Ein Zahnmediziner. Ich bin mal gespannt.  

Euer Studium ist damit abgeschlossen, aber das Projekt läuft ja gerade erst an. Wie soll es weitergehen?
David: Je nachdem, wie es in der Zukunft angenommen wird, wollen wir das Projekt auf jeden Fall ausbauen und weiterführen. Gerade beansprucht es schon den Großteil unserer Freizeit und es wäre gut, das zu professionalisieren.
Philipp: Schön wäre auch ein bisschen finanzielle Unterstützung, aber das ist dann der nächste Schritt.

Text: eva-hoffmann - photocase_krocken, Illustration: Daniela Rudolf

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