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Die Küche

Text: Rougepuella
Es ist noch immer das Gefühl wie vor zwei Jahren.
Ich betrete diesen Raum und von mir fällt alles ab, alles wird leicht und scheint so weit weg.
Der Tod meines Vaters, die gefühlt unendlichen andauernden Streitigkeiten mit meiner Mutter, die Zukunftsängste.

Immer wenn ich die Küche betreten, atme ich einmal tief ein und langsam wieder aus, mein Blick huscht über den Kunstdruck von Dürers Hasen, über die gerahmten Postkarten, die zwei Banksy Postkarten von mir aus London und Irland gesendet, fallen mir immer wieder ins Auge. Ich lächle dann. Weiter zieht mein Blick auf die breite Fensterbank, wo allerlei Küchenkräuter mehr oder minder vor sich hin vegetieren und trotzdem eine wunderbare Anzahl an unterschiedlichen Gerüchen verströmen. Manchmal trete ich an die Minze heran und rieche an ihr, die einzige Pflanze, die irgendwie immer frisch aussieht.

Dieser Raum ist immer ein paar Grad wärmer als die restliche Wohnung, vielleicht liegt es an den großen, verschmierten Fenstern durch die die Nachmittagssonne scheint oder es ist nur ein Trugempfinden meines Körpers. Ich, die eigentlich permanent am Frösteln ist, benötigt zum ersten Mal keine Hauspuschen, wenn ich mich an den kleinen Tisch mit der rot-karierten Tischedecke setze. Manchmal stehen Blumen in der orangenen Vase vor mir und der Flieder von heute klebt mir immer noch in der Nase.

Vieles hat sich verändert. Ich bin älter geworden, vielleicht auch reifer. Ich habe zum ersten Mal einen festen, ersten Job und das Gefühl angekommen zu sein. In meiner Stadt, bei meinen Freunden, bei meiner Arbeit. Ich bin gelassener gegenüber kritischen Stimmen geworden und rege mich nicht mehr über Kleinigkeiten so schnell auf. Zumindest versuch ich es. Die Hose sitzt ein bisschen eng? Das passiert, davon geht die Welt nicht unter, zumindest nicht mehr meine.

Was sich jedoch nicht geändert hat, sind meine Gefühle zu dir.
Und die Gewissheit, dass ich immer nur Gast in deiner Küche sein werde, aber niemals diejenige die Blumen in die kleine orange Vase stellt.

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