Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Kein Pistazieneis

Text: M9M9

Und, fragen sie, manchmal gehässig, manchmal neugierig, weißt du es nun endlich? Weißt du endlich, was du später mal willst?

Warum fragen mich das alle, frage ich mich und stelle vermutlich damit eine Gegenfrage, die die Frager ganz wahnsinnig machen muss, so wie mich ihre Frage regelmäßig in den Wahnsinn treibt.

Ich weiß, dass ich mir niemals Pistazie aussuchen würde, wenn ich das erste Eis des Jahres esse. Es gibt nichts Ekligeres als dieses grüne, gemanschte, künstliche Eis, das nicht nur giftig aussieht, sondern irgendwie auch giftig schmecken muss. Ich weiß, dass ich keine Waffeln mag und mein Eis lieber aus dem Becher esse, schon als Kind. Ich weiß aber auch, dass unsere Welt, die wir gerade erfolgreich zugrunde richten, die in ihrem eigenen Müll ertrinkt und deren Schreie um Hilfe immer leiser, artenärmer, erstickter werden, keinen weiteren Plastikeisbecher plus Plastigeislöffel braucht. Deswegen habe ich mir vorgenommen, in Zukunft Eis in der Waffel zu essen und darauf zu hoffen, mich an die Waffel zu gewöhnen – so wie man sich an den ersten Kaffee damals gewöhnt hat. Oder die Waffel zu verschenken, ein noch schönerer Gedanke.

Jetzt kann man auf die Frage, „na, weißt du schon, was du später mal willst?“, schlecht antworte, „kein Pistazieneis“. Die Leute schauen immer so unfassbar doof, wenn man ehrlich antwortet. Aber ich will ihnen keine Ein-Satz-Antwort liefern, ich will mich nicht in eine Kategorie pressen lassen, auch, wenn Kategorien das Leben in vielerlei Dingen erleichtern, das trifft auf mich gleichermaßen zu.

Viele meinen, wenn sie die Frage nur versteckter fragten, würde ich mich auf eine Antwort einlassen. Sie sagen dann nicht, „na, was willst du mal werden?“, sie sagen, „wenn du es dir frei aussuchen könntest, was würdest du wählen?“ Mein erster Impuls ist dann immer zu sagen, dass ich gerne meine beste Freundin wählen würde – wieder und wieder und immer und immer wieder. Ich würde, jetzt wo ich es mir frei aussuchen könnte, wieder meine beste Freundin als Wegbegleiterin wählen. Ohne meinen kritischen Seelenkenner an meiner Seite, würde ich heute vermutlich immer noch Eis aus Plastikbechern essen und nicht weiter darüber nachdenken, mich abends auf der Couch aber weiterhin über die globale Umweltverschmutzung aufregen. Aber das fragen die Leute gar nicht, das wollen sie gar nicht wissen. Sie wollen eine Kategorie von mir hören, keinen Zusammenhang, keine Geschichte.

„Und, weißt du schon, was du später mal willst?“
Ich will, dass die Geschichte, dass meine Gedanken zu meiner Antwort, „kein Pistazieneis" zu Ende gehört wird.

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: