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Wie Behinderte Behinderten schaden – ein Kommentar zu Erwin-Pröll-Gate

Text: dermarcel

 Da hat also ein Politiker aus der dritten Reihe gesagt, dass er Barrierefreiheit blöd findet. Die Reaktion der Behinderten kam prompt und berechenbar. Alle regten sich auf über diesen bösen Politiker, doch die Kommentare haben den Behinderten am meisten geschadet. Genauer, sie haben Erwin Pröll genutzt.



Die Stimme der kleinen Leute



Pröll dürfte vielen Kneipiers aus der Seele gesprochen haben, als er über die Vorschriften zur Barrierefreiheit schimpfte. Auch wenn sie ihm im Einzelnen nicht zustimmen mögen, die Gängelei des Staates für Klein-Unternehmer ist wirklich übel, man denke nur an das Rauchverbot und zahllose andere Vorschriften, die den Leuten das Leben schwer machen. Schon deshalb reagieren sie ablehnend auf jede neue Vorschrift, die sie viel Geld kostet und ihnen nichts bringt.



Falsche Reaktionen



Doch was machen die Behinderten? Statt auf Kneipiers zuzugehen und ihnen zu erklären, warum Barrierefreiheit wichtig ist jammern sie auf Facebook, Bizeps und anderswo über die bösen Politiker und diesen Pröll. Dadurch haben sie seine Aussagen erst bekannt gemacht. Natürlich will das keiner der Gastwirte zugeben, schließlich ist das politisch nicht korrekt. Doch der Shitstorm dürfte seiner Partei bei der nächsten Wahl einige Stimmen mehr bringen.



Gleichzeitig bleibt dieser Shitstorm, der ja schon abgeflacht ist ohne jegliche Wirkung, weil das kein Mensch außerhalb der Behindertenszene mitbekommt. Weder Pröll noch ein anderer Mensch mit Verstand liest Bizeps und die anderen Zentralorgane der Behindertenbewegung, es sei denn, er ist masochistisch veranlagt oder steht auf Diskussionen auf Kindergarten-Niveau.



Zeit für einen Generationenwechsel



Die Zeiten ändern sich und es wird Zeit, dass die alte Garde der Behindertenbewegung abtritt. So viel sie in der Vergangenheit geleistet haben, heute stehen sie der Inklusion eher im Wege, als sie zu befördern. Wir können das Gejammer und das pawlowsche Aufheulen bei jedem Furz nicht mehr hören. Die alte Generation hat nicht verstanden, dass man mit der Gesellschaft arbeiten muss, um Inklusion zu verwirklichen und nicht gegen sie. Wir müssen die Bürger davon überzeugen, dass wir nur gemeinsam funktionieren können und nicht gegeneinander. Dazu gehört aber auch, dass man mit Ablehnung, Zurückweisung und Widerspruch aktiv umgeht, statt einen sinnfreien Shitstorm nach dem Anderen zu starten und auf jeden Widerspruch zu reagieren.

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