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Bevor Du gehst

Text: GrayandBlack

Er kommt wie immer abends um sieben heim. Wir kochen, essen, landen vor dem Fernseher. Irgendwann will er Sex, das Übliche, kurzes Vorspiel, keine großen Worte. Dann nebeneinander einschlafen.

Als ich erfahren habe, dass Du ins Ausland gehen wirst, hat mein Herz für eine Sekunde ausgesetzt. Eigentlich hätte es mich nicht überraschen sollen, immerhin redest Du schon seit Monaten davon. Sie will ein einjähriges Praktikum machen, Du begleitest sie natürlich – arbeiten kannst Du im Grunde überall auf der Welt. Ob Du danach wieder kommst? Eher unwahrscheinlich. Ihr wollt nochmal reisen und später ohnehin in eine andere Stadt ziehen.
Nein, es hätte mich nicht überraschen sollen. Was mich allerdings überrascht hat, waren meine Gefühle in dem Moment. Jetzt kann ich es nicht mal mehr vor mir selbst leugnen.



Sein Atem dringt an mein Ohr, ruhig und gleichmäßig, während er einen Arm um mich gelegt hat. Plötzlich fühlt sich das alles so falsch an: Das Bett, die Nähe und vor allem diese unerträgliche Stille, die meinen Gedanken zu viel Raum gibt. Ich möchte aufspringen und in die Nacht laufen, um mich abzukühlen, wieder runter zu kommen. Stattdessen starre ich nur an die Decke und denke an Dich.



Was ich an Dir vermissen werde?
Deinen Humor. Schwarz und oft genauso unpassend wie meiner. Ich habe seit Jahren nicht mehr so viel gelacht wie mit Dir. Deine schrullige Art, die einem manchmal den letzten Nerv rauben kann. Deine Schlagfertigkeit und Intelligenz. Und Dein Aussehen. Du bist einer der attraktivsten Männer, die mir jemals begegnet sind. Was hätte ich nicht für eine einzige Nacht mit Dir gegeben. Moral? Prinzipien? Reue? Alles vergessen.

Irgendjemand hat mir in diesem Zusammenhang mal gesagt, dass diese unerfüllten, diese Was-wäre-wenn-Lieben im Grunde die gefährlichsten sind. Man beginnt, alles Mögliche in die andere Person hinein zu interpretieren, idealisiert und verklärt sie, malt sich nie stattgefundene Szenarien aus und spielt diese immer und immer wieder durch. Im tiefsten Innern weiß man, dass es niemals ein Happy End gegeben hätte (am Allerwenigsten für uns).



Als ich am nächsten Morgen noch immer wach im Bett liege, wird mir klar, was passieren wird.
Ich werde gehen. Ich werde meine Sachen packen und mich von ihm trennen. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber in absehbarer Zeit.
Und dann – dann werde ich auch anfangen, Dich zu vergessen.

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