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Entgegen der Norm

Text: journalito

Kürzlich habe ich einen wundervollen Artikel über einen Jungen gelesen, der gern Rock trägt. Der mit drei Jahren gemerkt hat, dass er gern Röcke mag. Und dessen Vater ihn, als er nach dem Umzug aus der Großstadt in die Provinz von Gleichaltrigen in der Kita gehänselt wurde, unterstützt hat, indem er selbst eine Zeit lang Rock trug. Das finde ich toll! Der Vater heißt seinen Sohn willkommen – mit all den Facetten seines Wesens.



Ja, ich habe keine Kinder, kann also gar nicht beurteilen, wovon ich da rede, mögen einige einwerfen, und dass in diesem Fall die Erziehung aus dem Ruder gelaufen ist. Ist alles Blödsinn, man braucht nur einen gesunden Menschenverstand. Im Jahr 2014 denken wir teilweise immer noch wie im Mittelalter. Wir haben zwar die unglaublichsten technischen Möglichkeiten, sind aber immer noch festgefahren in unseren Rollenvorstellungen. Dass die Mädchenwelt rosa sein muss und dass Jungen ihren Schmerz runterschlucken müssen, den kennen Indianer ja bekanntlich nicht…



Sicher gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern, Kinder kriegen können Männer meines Wissens nach immer noch nicht. Aber einem Individuum etwas so Banales wie ein Kleidungsstück vorzuenthalten, weil er dafür nach Meinung der Mehrheit nicht das richtige Geschlecht hat, ist völlig absurd. Wenn ein Schotte Rock trägt, ist das gesellschaftlich akzeptiert, jedes männliche Wesen darüber hinaus wird schief angeschaut, verurteilt, ausgeschlossen.



Die Diskussion um Conchita Wurst und ihren Bart ist mittlerweile abgeflaut. Aber ich habe mich wirklich aufgeregt über ignorante Menschen mit Scheuklappen auf den Augen, die den Untergang des Okzidents heraufbeschworen haben, weil ein Mensch ins Rampenlicht rückt, der anders aussieht als die Masse. Warum echauffieren sich so viele, wenn ein Mann einen Rock anzieht? Wenn er neben seiner männlichen Identität eine weibliche Seite hat, die er in einer Kunstfigur auslebt?



Ich schätze, es geht um den Horizont. Wenn die eigene Welt, das eigene Denken begrenzt ist, wie kann da jemand einen Menschen verstehen, der sich fernab des Alltäglichen bewegt, der gegen den Strom schwimmt? Der sich die Freiheit nimmt, so zu sein, zu fühlen und zu leben wie er es für richtig hält. Entgegen der Norm, die irgendjemand irgendwann festgelegt hat. Denn letztlich ist das wichtigste erstrebenswerte Ziel im kurzen Dasein eines Menschen auf deser Erde, seine Bestimmung, sein Ich zu finden und hinter diesem Ich zu stehen – auch und gerade wenn es eine Diva ist.






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