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Erfahrungshunger. Und über neongelb.

Text: glitzerkugel

Es ist so. An diesem Kühlschrank der Freunde kleben zig bedruckte Magnetplättchen. Buchstaben, Satzzeichen, Smileys. Ganz platt, relativ klein, quadratisch. Verzweifelt versucht Strizzi, dieser Plättchen habhaft zu werden. Leider ist das so eine Sache mit der Feinmotorik (für alle Informierten: kein Pinzettengriff weit und breit!) und es bleibt ihm, die Plättchen mit energischen Bewegungen über den Kühlschrank zu rutschen.

Als ich das nächste Mal zum Kühlschrank blicke, hat sich Strizzi – in Ermangelung des Pinzettengriffs – am Kühlschrank festgesogen. Anschauen und rutschen reicht nicht. Nie. Alles muss in den Mund. Genau genommen ist Strizzi ein einziger Mund, fleischgewordene orale Phase. Nun also klebt er mit Mund und Schnupfennase an diesem Kühlschrank und sabbert rüsselgleich über die Plättchen.

Das ist natürlich alles normal. Und natürlich eine Phase.

Die Kinder der Freunde gucken ungläubig. „Strizzi, Du bist komisch“, meint Katharina. Timo lacht sich kaputt. Seit unserer Ankunft versucht er mit großem Ernst, mindestens eine Sache in diesem Haus zu finden, die man Strizzi hinhalten kann, ohne, dass er sie in den Mund stecken würde oder das zumindest versucht. Fehlanzeige. „Nein!“ hört man ihn vor dem Abendessen rufen, „Tatsächlich auch meine Gummistiefel! Bäh! Das war doch nicht so gemeint!“ Das hätte ich ihm sagen können. Schuhe sind Strizzis Leiberkundungsgegenstand. Trage ich diese Schuhe mit neongelb, kommt Strizzi in einem Affenzahn auf mich zugekrabbelt. Nein, genauer: nicht auf mich. Auf die Schuhe. Dann sabbert er sich am Neongelb fest. Treffen wir auf Spaziergängen auf Leute in bunten Funktionsjacken, wird Strizzi ungeduldig, möchte wissen, wie diese Farbe wohl schmeckt.

Anfangs sabberte der Strizzi einfach nur Dinge an. Den Zwack. Das Dreirad. Bücher. Mittlerweile angele ich ihm routiniert und regelmäßig in den Mund, um Dinge herauszuholen: Squashbälle, Legopinguine, Bauklötze, Blumenerde, Spielzeugautos, Socken, Kastanien, Wachsmalkreiden, Schuhbänder, mehr Blumenerde, Wäscheklammern, USB-Sticks, Kaffeepads (fragen Sie nicht!), Taschentücher, das Telefon, Klopapierrollen, Buchseiten, noch mehr Blumenerde. Irgendetwas findet sich immer. Manchmal wache ich davon auf, dass mir Sabber ins Nasenloch läuft.
Kinder in diesem Alter beginnen, ihre Schätze anderen zu zeigen oder zu geben. Strizzi ebenfall. Mit Hingabe versucht er, uns neu ersabberte Teile seiner Welt in den Mund zu stecken.

Erfahrungshunger, sinniert ein Freund, Es sei doch hochspannend, wohin ihn dieser Erfahrungshunger noch führen würde. Währenddessen beschäftigt Strizzi sich mal wieder mit einer Katze, versucht alf-esk, sie in den Mund zu schieben. Leider fängt er damit bei der Pfote an. Und, meint der Freund, Jaja, es sei alles nur eine Phase.

Kein Mensch, keine Katze spricht über die Dauer von Phasen. Ich halte Strizzi statt der Katze zum Trost eine bunte Socke hin.



 

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