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Mädchen, Thema Vorbilder von früher

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Duff McKagan! Es sollte mit Duff McKagan anfangen. Notfalls ginge wohl auch Axl Rose oder Tommy Lee oder Eddie van Halen oder so. Aber Duff ist besser. Weil die anderen Erste-Reihe-Premium-Poser sind. Superstars ihrer Zeit. Duff war immer zweite Reihe. Bollwerk. Working-Class-Hero am Bass. Nicht sehr schön, dafür aber ungeduscht. Man musste wenigstens ein winziges Bisschen „deep into the shit" sein, um ihn zu kennen. Und um ihn zu feiern ohnehin. Das gibt ihm noch mehr Kraft. Denn es geht um Helden. Und um früher. Und Ironie.

Wir sind auf Duff McKagan gekommen, weil wir in der Konferenz über den Ultimate Warrior gesprochen haben. Der geschminkte Wrestler mit seinem etwas bekloppt manischen Gerüttel an den Ringseilen – dessen Tod vor ein paar Tagen uns aber heimlich doch ein kleinwenig traurig gemacht hat. Deshalb schnell noch ein paar Wrestlernamen, einfach, weil die so lustig sind: Jake „The Snake" Roberts, Bret „The Hitman" Hart, Brutus „The Barber" Beefcake, „The Rocket" Owen Hart, Earthquake, The Undertaker, The Bushwhackers. Herrlich!

Duff oder der Ultimate Warrior sind für uns jedenfalls mehr als Musiker oder Sportler. Sie sind längst Codes, wie es sie so oft gibt in der Pop-Kultur: Normen und Werte, auf die wir uns implizit geeinigt haben. Irgendwer sagt ihre Namen und viele Andere fangen an zu johlen. Weil mit den Namen die Bilder kommen: vom Vokuhila, den T-Shirts mit den abgeschnittenen Ärmeln, dem Gorilla-Press-Bodyslam, mit dem der Krieger, der Ultimative, seinen Gegnern den Rest gegeben hat. Wie bei einer besonders beliebten Simpsons-Szene, die alle sofort abspulen können, wenn nur einer das Stichwort gibt.

Und dann freuen wir uns sehr. Allerdings mit einer kleinen Hintertür, offengehalten vom Keil der Ironie. Weil: Natürlich denken wir an Duff und Hulk und Axel und „The Snake" und all die anderen heute noch mit diesem etwas seltsam gemeinschaftlichen Stolz zurück, weil sie schon damals als Idole eigentlich nicht getaugt haben. Weil ihnen auch ein gerüttelt Maß Peinlichkeit innewohnt. Herrlich, again!

Was ich nun komisch finde: Ich glaube, ihr habt das nicht. Oder sehr anders. Jedenfalls habe ich noch nie beobachtet, wie eine von euch – nur zum Beispiel jetzt – „Pippi Langstrumpf" sagt, und die anderen im Brustton in einen „widdewiddewitt und drei macht neune"-Gesang einfallen. Warum? Fehlt euch die Distanz zu euren früheren Vorbildern? Sind sie euch heute peinlich? Weil ihr sie damals vielleicht ernster genommen habt als wir unsere? Hattet ihr vielleicht gar keine? Oder äußert sich das alles bei euch nur anders? Und wenn ja: Wie? Beziehungsweise bei wem? Kurz gesprochen: Wer ist euer Ultimate Warrior?


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Entschuldigung, ich musste kurz eine Natron-Tablette einwerfen, bei „widdewiddewitt" ist mir leider körperlich übel geworden. Nichts gegen Pippi, nichts gegen Bibi Blocksberg, nichts gegen Disney-Filme. Würd ich meinen Kindern jederzeit zum Angucken und Anhören geben. Aber schon allein wegen so blöder schnörkeliger Gesängeleien (die ich schon in Disney-Filmen immer nicht ertragen habe), liegen sie jenseits von ironischer Aufwertungstauglichkeit. Und als Jugendidole gelten sie ohnehin nicht. Und deshalb passen sie auch nicht als Pendant zu deinem Duff oder deinen Warriors, oder wie sie alle heißen. Denn Pippi und Bibi, das war noch vor unserer Ironie-Fähigkeit und vor unseren Coolness-Posen. Und auch vor euren. Auch wenn's bei euch halt da nicht Bibi, sondern eher Benjamin Blümchen war oder nicht Pippi, sondern Kalle Blomqvist.

Aber später? Als bei euch Warrior und Duff waren, wer war da bei uns? Mit 12, 13, 14? Da muss ich sehr lang dasitzen und mir das Rosenwasser der Kollegin Lauenstein ins Gesicht sprühen, um besser nachdenken zu können. Ich kann mich keiner weiblichen Helden entsinnen. Wenn wir so total ironisch-nostalgisch reden, dann kommen da nur irgendwelche Stars und Sternchen ins Spiel, in die wir verknallt waren. Aaron Carter, Nick Carter, die waren top so zwischen neun und 13. Aber das sind ja jetzt Verknalltheiten. Beknackt witzige Helden, die man sich heut noch aufs T-Shirt drucken würde, eher nicht. Wobei: Da gab es ja noch Sailor Moon. Aber war das nicht eher Softporn, den meine Eltern streng verboten hätten, wenn sie mich das hätten gucken sehen? Und auch gleiche Kategorie: Mehr so Auf-die-Fresse-Sexy-Sehnsucht als wertvoll-vielschichtige Popkultur?

Meine These ist ja grad, dass das vielleicht daran liegt, dass bei uns Mädchen im Gegensatz zu euch Jungs gleich nach der Kindheit das sexuelle Interesse erwacht. Unsere Helden sind dann entweder Jungs, wegen direkt verknallt, oder Sailor Moon Babes, mit natürlich extrem versexisiertem Pornofrüherziehungseffekt.

Bei euch Spätreifenden ist da, wo bei uns das sexuelle Erwachen direkt an die Kindheit anschließt, noch so ein seltsamer, nutzloser verpickelter Zwischenraum von etwa vier, fünf Jahren, in denen ihr Mädchen noch doof findet, mit eurem Körper noch nichts anfangen könnt, mit Benjamin Blümchen aber auch nicht mehr. Deshalb müsst ihr euch in dieser Zeit auf irgendwelche starken Helden konzentrieren, die euch vormachen, wie es ist, wenn man irgendwann man mal ein kerniger Superman ist, und sich nicht mehr so nutzlos fühlt in der Welt.

Deshalb gibt's bei euch solche Warriors. Wir überspringen das. Wir wollen lieber gleich knutschen.

martina-holzapfl

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