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Hau den Lukas

Text: freitagsmachichfrei

Hau den Lukas tönt nach Jahrmarkt und Zuckerwatte. Nicht aber, wenn Lukas  zwei Jahre älter und einen Kopf grösser ist...



Im Grunde bin ich ein friedliebender Jugendlicher mit Manieren gewesen. Meine Rechte habe ich das erste Mal mit 13 einem Klassenkameraden nicht vorgelesen, sondern ins Gesicht gedrückt, weil er ständig meine Blei- und Filzstifte zerkaute. Als Martin, so war sein Name, dann zum Dessert auch noch mein Geodreieck anknabberte, übte ich Selbstjustiz. Der Schaufelzahn wackelte, blieb aber drin. Und Martin war immer noch mein Kumpel.



Gut, ich gebe zu, es blieb natürlich auch bei mir nicht bei diesem einen Mal. Als Heranwachsender muss man seine Kraft erfahren. Der Vergleich wird gesucht, also wird gemessen. In dieser Hinsicht waren wir recht spontan. «Hey hey, wie wärs mit einem kurzen Freundschaftsgerangel?» Das war Daniel. Der ging mit meinem älteren Bruder in die Klasse. Er war mindestens einen Kopf grösser als ich und doppelt so schwer. Ich lehnte also ab. Das interessierte Daniel jedoch nicht die Bohne.



So wurde ich nach der Schule abgepasst. Daniel, das Schwergewicht, stürzte sich auf mich. Er hätte mich erschlagen können. In einander verschlungen wälzten wir uns auf dem Schulhausflur. Keine Ahnung, was dann passierte. Schliesslich lag Daniel auf dem Rücken und ich thronte auf seinem Bauch. Daniel heulte. Ich ebenfalls. In meiner Verzweiflung hatte ich mich völlig verausgabt.



Die Kunde von Daniels Niederlage drang an Guidos abstehende Ohren. «Hey hey, wie wärs mit einem kurzen Freundschaftsgerangel?» Guido war eigentlich recht gefitzt, hatte aber eine recht bäuerliche Art und eine dementsprechende Statur. Wiederum lehnte ich ab. Guido machte mich fertig.



Diese Nachricht erreichte dann Jonny`s gepierctes Ohr, in welches ich am liebsten gebissen hätte, als wir uns dann auf der Hauptstrasse wälzten. Der Ausgang war für beide unbefriedigend.



Dies spornte Marcel an, hier eine Klärung herbeizuführen. Wir küssten also in neuer Konstellation die gleiche Hauptstrasse an anderer Stelle. Dieser Kampf brachte aber auch keine neuen Erkenntnisse.



So traten Hansi und Lukas auf den Plan. Hau den Lukas tönt gut, aber nicht, wenn der Hansi dabei ist. Ausserdem waren beide älter und stärker als ich. Seltsamerweise verhauten sie mich nicht. Sie hänselten mich nur, das dafür täglich. Immer nur auf dem Heimweg. Einmal führte uns dieser am Haus meiner Grossmutter vorbei. Ich hatte diese Pöbeleien satt und war wild entschlossen, dem ganzen ein Ende zu setzen. Ich stieg in den grossmütterlichen Keller hinab und stopfte meine Hosensäcke mit Kartoffeln (hartkochend) und Äpfeln (säuerlich) voll. Sie sollten mir als Wurfgeschosse dienen.



Die beiden Kontrahenten blieben in der Zwischenzeit vor dem Haus stehen und fragten sich wohl, was ich da unten machte. Als ich die Kellertreppe heraufpolterte, waren die beiden ganz verwirrt. Sie liessen mich in Ruhe. Doch schon am nächsten Tag gings weiter. Verdammt, dachte ich, da hab ich drei Brüder und keiner ist da, wenn man ihn braucht. Ich drehte also für zwei Sekunden durch und griff nach einem Holzscheit, das ich bei Meiers aus der Holzbeige riss und nach ihnen schmiss. Den Gegner verfehlte ich, nicht aber die Wirkung. Von diesem Moment an war Friede mit mir.



So lange, bis Rainer auf dem Heimweg vom Fussballspiel meinen Ball von meinem Gepäckträger runterschob. Da war ich 18. Ich weiss nicht mehr, ob Rainer das mit Absicht gemacht hatte. Ich bat ihn jedenfalls, kurz mein Fahrrad zu halten, damit ich den Ball aufheben konnte. Als ich mich über den Ball beugte, schepperte mein Fahrrad zu Boden. Rainer hatte keine Lust gehabt, meinem Wunsch zu entsprechen. Ich war stocksauer. Nach dem Austausch von verbalen Nettigkeiten kam es schliesslich zum Handgemenge.



Der Schwitzkasten war damals eine begehrte Effekthascherei und in diesem befand ich mich dann auch sogleich. Hansi und Lorenz standen unparteiisch um uns herum und warteten ab. In einander verkeilt legten Rainer und ich ca. 200 Meter Distanz zurück, wobei ein nicht zu vernachlässigendes Detail war, dass Rainer mittlerweile in meinem Schwitzkasten brütete. Er stiess mir mit seiner Linke in den Schritt. Ich parkierte meine Rechte unterhalb seines Auges. Dann war der Kampf aus.



Wahrscheinlich wussten wir gar nicht mehr so genau, worum es bei unserem Schlagabtausch eigentlich gegangen war. Aber da waren wir in guter Gesellschaft mit ganz anderen Protagonisten der Weltgeschichte. Auf Anraten des Försters, der zufällig des Weges kam, schlossen wir heulend Frieden. Und seither hatte ich keine Keilereien mehr. Im darauf folgenden Sommer kultivierte ich meine Rechte beim Badminton, wählte links und ging mit Jeanette ab durch die Mitte. 






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