Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Fake Empire

Text: Rougepuella

Der Schnee vor deiner Haustür ist noch nicht ganz geschmolzen, ich sprinte die Stufen hinauf bis zu deinem 5.Stock. Meine Schuhe hinterlassen kleine graue Pfützen und ich keuche leicht als ich vor deiner Tür ankomme.




Du bist endlich wieder da! Zwar nur 10 Tage getrennt, aber ich habe dich vermisst, Haselmausel, werde ich sagen und du wirst lächeln und deine strenge Lehrerbrille zurecht rücken.




Sie ist noch geschlossen. Das ist ungewöhnlich.




Normalerweise stehst du schon immer an der Tür und schmunzelst, wenn ich in neuer Rekordzeit die Treppen hoch laufe. Manchmal höre ich schon deinen ironischen Ton durch das Treppenhaus gellen, wenn ich wieder meine etwas zu großen Stiefel trage: "HQ, heb die Füße,was sollen die Leute denken. Dies ist ein ehrenwertes Haus."




Sie ist zu. Ich mag es nicht so gerne, wenn ich sie im geschlossenen Zustand sehen, denn dann erkennt man zwei Postkarten mit zwei Nachnamen. Einer davon ist nicht der meinige. Es ist ihrer.




Ich muss also klingeln und es dauert ein wenig bis du öffnest.
Ich würde dir gerne in die Arme fallen, aber irgendetwas ist heute Nachmittag anders. Du bist so verschlossen, so müde und ein verkniffener Zug liegt um deinen Mund. Man sieht dir dein Alter plötzlich an.
Dein und mein Alter waren nie ein Streitpunkt zwischen uns gewesen, es wurde noch nicht einmal diskutiert, dass du um so viel älter bist und, dass das was wir haben trotzdem sehr gut funktioniert.




Doch heute ist etwas anderes. Deine Wohnung wirkt wie du grau, leblos und kalt. Es brennen zwar die Kerzen, mein Schwarztee zieht schon und im Hintergrund läuft unser Lieblingssoundtrack, aber etwas stört all dies. 




Du erzählst mir von deinem Weihnachten. Es scheint schön gewesen zu sein. Ich berichte dir von dem Katzenfiasko, der verschlafenen Bescherung der Großeltern und dem Gang zur Kirche, der für meinem Onkel und Vaddern in der nächst gelegen Kneipe endete. Sie haben es halt nicht so mit Religion...
Du lächelst ein wenig, aber ich vermisse das bissige, fast schon verletzende in deiner Stimme, wenn du diese Situationen kommentierst.
Ich sehe vor mir einen Mann mit Anfang Vierzig, der immer wieder seine schwarze Hornbrille zurecht rückt und sich durchs Haar fährt. Er schüttet erst die Milch in die hellblaue, ziemlich hässliche Töpfertasse und kippt dann den Schwarztee dazu. Er rührt ihn drei Mal um.




Irgendetwas ist passiert.




Ich brabbel noch weiter friedlich vor mich hin, bis du auf einmal aufsiehst und leise sagst:




" Sie hat mich gefragt."
Ich versteh nicht.
"Sie hat mich gefragt."

"Was genau jetzt? Wohin der nächste Urlaub gehen soll? Ob du jetzt endlich dich versetzen lässt? Ob dir die Socken gefallen haben zum Geburtstag? Sei lieber ehrlich, sonst..."

"HQ, ich habe mit "Ja" geantwortet.

Der Soundtrack ist bei den Zeilen " We're half awake in a fake empire" angekommen.






Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: