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Ich behalte dich.

Text: paulscousine
Auf deinem Balkon schließt sich der Kreis. Du wirst die Stadt verlassen. Ich werde die Stadt verlassen. Bald. Was wir zusammen begonnen haben, geht für uns beide zu Ende. Wir reden ganz offen.
Es ist genug Zeit vergangen, wir können das jetzt. Als dein Telefon klingelt und ich leise sein muss, denke ich, ihre Eifersucht ist unbegründet. Ich bleibe bis vier Uhr morgens. Die Sternschnuppen hinter meinem Rücken siehst nur du.

Ich behalte dich.

Deine geradezu sture Begriffsstutzigkeit, dein blauäugiger Trotzblick, der nicht zieht bei mir, den ich dir nicht abkaufe, den ich durchschaue und du weißt es und schickst ihn trotzdem, um zumindest irgendwas zu schicken, wenn du keine Antwort weißt. Weil du selten eine Antwort hast auf meine Fragen und niemals eine auf mich.

Ich behalte dich nicht.

In der Menge musste ich den Kopf abwenden, kurz nur, das Gesicht schützen vor den Blicken, warten, dass das Zittern geht, das kommt, seit er gegangen ist. Es ist nicht mehr schlimm, ich komme zurecht und hebe den Kopf wie zuvor. Dein verunsichertes Gesicht auf der anderen Seite des Raumes. Du siehst, wie versehrt ich bin. Ich wollte dich nicht erschrecken. Doch du vergisst schnell. Deine Gedanken wandern, ruhen sich nur aus, wo sie nicht abrutschen können und das war in meiner Nähe noch nie der Fall.

Ich halte dich nicht.

Wir fallen auf die Straße, lachen, ich habe versucht, dich zu tragen, jetzt kugelst du über den Rinnstein. So geht das nicht, sagst du, wir machen das anders. Ich protestiere, doch du hebst mich hoch, trägst mich durch die seltsam dunklen Straßen dieser Stadt, in der wir uns vor zwei Jahren trafen.

Ich halte dich.

In meinem Hausflur legst du deine Arme um mich und so stehen wir eine halbe Stunde lang zwischen Briefkästen und Kellertür. Ich drücke mein Gesicht an deinen Hals, schiebe meine Finger in den Kragen deines Pullovers. Heute Nacht wird nichts passieren. Morgen früh sitze ich im Zug. Ein bisschen albern ist es schon. Wir verabschieden uns, als würden wir uns nie wieder sehen, als würden wir jetzt erst erkennen, dass alles, was zwischen uns passiert ist, kein Versehen war. Mir ist ein Panzer gewachsen im letzten Jahr und schon lang hat mich nichts mehr berührt. Du hältst mich ganz fest. Und ich weiß, dass du von Anfang an auf der anderen Seite warst.

Ich halte.

Ich weiß: du bist ein Trottel.
Ich weiß: Mir fehlt der Mut für deine Welt und dir der Mut für mich.
Ich weiß: Die meiste Zeit verstehen wir uns nicht, stehen wie zwei Idioten voreinander und wissen und wissen und wissen nicht weiter.

Aber: wenn ich in zehn Jahren in deine Stadt komme und vor deiner Tür stehe, wirst du sie aufmachen und mich in den Arm nehmen.
Ich würde für dich das Gleiche tun. Es gibt nicht viele Menschen in meinem Leben, über die ich soetwas sagen kann. Menschen, die ich nicht verlieren will.

Ich behalte dich.

Im Kopf, im Bauch, im Herz.
Für irgendwann.






(i did. no regrets.)


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