Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Tausend Dinge 2012. Ein Versuch

Text: mouton

and then you wonder and then you cry and then you fight and then you lose control and then you can’t sleep and then you make up stories and then you wish for impossible things and then you count every breath and then comes fear



Es gibt Dinge, für die gibt es keine anderen Worte. Es gibt keine Wortbilder und keine schönen Umschreibungen. Keine Metaphern, keine Allegorien, keine Symbole. Es gibt nichts, was dein Fehlen poetisch machen könnte.



Denn ich schreibe nun hier, ich sitze in meinem Bett, ich spüre die Wärme der Decke und die Tasten unter meinen Fingerkuppen. Ich atme. Unbewusst, ich muss das nicht kontrollieren, es passiert einfach. So wie bei dir nie wieder. Als wir im Mai in Berlin das letzte Mal mit einander telefonierten, war ich traurig und auch ein bisschen wütend. Ich hatte das Gefühl, ich hatte dich verloren an diese große Stadt, als wärst du mir fremd geworden, als wärst du woanders und hättest mich nicht mitgenommen. Aber ich weiß, so ist es nicht, du hast auch nur versucht, deinen Platz in der Welt zu finden. Jetzt ist er zumindest physisch klar definiert. Und wo du sonst bist? Bei ziemlich vielen von uns ziemlich tief ziemlich fest verankert. Ich denke an Nächte, die wir durch getanzt haben, an Jungs, die du immer gekriegt hast, an Ostern mit Pfannkuchen und Eier bemalen. Du warst ein Dorfkind und ich war neidisch auf deinen Freundeskreis, auf das Vertrauen unter euch, auf die Nächte im Feld. Aber als du einmal gesagt hast "Du bist immer da." war mir klar, dass ich dir genauso viel bedeutet habe wie du mir. Trotzdem, du hast mich genervt, ich war sauer, wollte so sein wie du oder dir helfen. Und du hast dich fallen gelassen in meine Arme und gleichzeitig deine für mich aufgehalten. Ich schrieb über dich und für dich und ich hoffte jeden Tag, dass es dir gut geht.



Tatsächlich könnte ich noch tausend Dinge aufschreiben, wie du magersüchtig warst zum Beispiel und nur noch Orangen gegessen hast. Wie ich meinen ersten Kuss von deinem Tino bekommen habe und wie du stolz auf mich warst. Dass Rasmus und Vincent jetzt gegenüber wohnen und ich sie mal besuchen gehe. Dass ich die Nächte und Tage und Morgen und Abende bei dir geliebt habe. Dass wir zwei genug waren, um die Stimmung explodieren zu lassen, dass ich dachte, ich könnte immer auf dich aufpassen. Dass ich dich und mich im Schaukelstuhl gesehen hab, irgendwann oder dich eigentlich nicht im Schaukelstuhl sondern beim Plakatebemalen und Häuser besetzen.



Aber tausend Dinge heilen nicht. Es heilt auch nicht, auf deinen Grasfleck zu starren und zu heulen. Nichts heilt. Aber manches hilft. Dass du nicht mehr da bist und ganz und gar nie wieder kommst, werde ich nie verstehen.  Aber ich werde weiter an dich denken, dich ab und zu besuchen und ganz bestimmt niemals vergessen.

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: