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Und wenn morgen die Welt unterginge

Text: Zwischenruf
... würde ich doch trotzdem eine neue Glühbirne in meine Lampe schrauben, um Deine Texte lesen zu können. Ich würde trotzdem noch Dein Weihnachtsgeschenk einpacken, damit Du nicht frierst. Ich würde trotzdem mein Apfelbäumchen pflanzen, weil ich irgendwann Deinen Namen in die Rinde ritzen könnte.

Mit Dir, mit Dir allein verschwende ich meine Zeit am allerliebsten und ich kann mir keinen schöneren Weltuntergang vorstellen, als den, den ich jeden Tag in Deiner viel zu kurzen Umarmung erlebe.

Du bist mein Weltuntergang, gleichzeitig mein Inferno und mein Weg zum Paradieso, den ich nicht gehen kann, weil er zu steil ist. Ich bin nur ein Mensch und nicht gemacht für den, der so perfekt den Engel spielen kann. Hinweg mit der Poesie und ab in den Pfeilhagel Deiner Sätze: Ich spiele nicht in Deiner Liga. Und werde es nie tun. Du gehörst schließlich zu den reichen Leuten. Sagt zumindest der Taxifahrer, der mich vor Deiner Wohnung eingesammelt hat, und ihm habe ich sogar geglaubt, dass er Dich nicht beneidet, weil er glaubt, dass Du einsam bist. Dummerweise bist Du das aber nicht. Eher im Gegenteil. Du bist nicht einsam, hochmütig und voll mit Ansprüchen. Du bist liebenswert, gesellig und schlägst Dich auch mal durch den Dönerladen. Wenn's eben sein muss.

Und genau deshalb kannst Du auch lächelnd auf das Mädchen verzichten, das sich in Dich verliebt hat. Wenn Du nicht so liebenswert wärst, hättest Du mich als den siebenundvierzigsten Strich auf Deiner Strichliste eintragen können. Das würdest Du natürlich nie tun und spöttelnd bestreiten, dass es so sei, aber sieh Dich und Deinen Terminkalender mal ganz genau an und Dir werden die Frauennamen förmlich ins Auge springen.

Jede von uns ist froh, wenn sie einen Platz in diesem schmalen Büchlein ergattert hat. Du wirst umworben, umschwärmt und ich habe mich eingereiht und hinten angestellt. Und wenn Du Dich wenigstens so benehmen würdest, wie das eben Otto Normal mit einem kleinen Vermögen, herrlich grün-grauen Augen, vielseitigen Interessen und einem Lächeln zum Niederknieen tun würde, aber nein, Du, ausgerechnet Du, hast den Rest Deines Lebens eben nicht vergessen und wielandisch liebenswert kannst Du spotten, aber trotzdem diese Grenze zu Otto Normal eben nie überschreiten. Also reihe ich mich eben ein. An siebenundvierzigster Stelle. Hinter den Damen mit dem Brunch, dem Theaterabo und dem wilden Wein in O. Zaghaft stehe ich da mit einem Buch unter dem Arm und all meine Stärken gehören in Deiner Welt nur zum guten Ton. Aber ich stehe trotzdem da und ab und zu in Deinem Kalender.

Und eine Wahrheit bleibt: Wenn Du nächste Woche wieder meine Welt untergehen lässt, dann wünsche ich mir nur, dass sie ein bisschen langsamer untergeht, damit ich noch schnell mein Apfelbäumchen einbuddeln kann, um Deinen Namen in die Rinde zu ritzen.

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