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Dialog über die großen Fragen des Lebens

Text: betany
Ein wackliger Stuhl, eine dunkle Kneipe, Freitagabend und eine leere Flasche Wein.



me: Wovor hast Du eigentlich Angst?



myself: Vor nichts!!!



me: Wirklich vor nichts?



myself: Natürlich vor nichts, außer vielleicht, ja ich weiß nicht…



me: Vor dem ich weiß nicht?



myself: Ja, vermutlich. Schwer zu benennen.



me: Du hast also eine diffuse Angst vor der Ungewissheit.



myself: Die hat doch jeder Mensch!



me: Nicht jeder, es gibt Menschen, die haben sie überwunden. Es gibt aber auch Menschen, die wussten nie davon. Das sind die eigentlich Armen.



myself: In meinen Augen sind sie reich, egal auf welche Weise. Ich beneide die Ahnungslosen, sie können unbeschwert leben.



me: Aber es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis es ihnen jemand sagt. Bis sie erkennen. Jeder erkennt! Die meisten zu spät. Dann kommt die Bitterkeit



myself: Viele intelligente Menschen fühlen die Bitterkeit schon viel früher. Woher sonnst all der Hass?



me: Sie erkennen und finden keine Lösung. Sie sind noch nicht so weit.



myself: Dann bevorzuge ich die Unkenntnis, sie verzögert zumindest die Bitterkeit.



me: Die Bitterkeit kann man überwinden.



myself: Aber wie, wenn man sich dem bewusst ist, dass Sekunde um Sekunde das Leben verloren geht und die Welt sich dafür nicht interessiert. Ich stelle mir oft vor wie es sein wird, wenn ich nicht mehr da bin. es wird so sein wie immer. Zumindest für die Menschen, die mich nicht kannten. Auch für die Menschen, die mich kannten, ist die Welt bald wieder im Lot. Das muss es auch sein. Die Toten können nicht das Leben der Lebendigen bestimmen, sonst sind sie schon tot während sie noch leben. Ich trauere heute auch nicht mehr um Menschen, die vor 100 Jahren einmal auf der Welt waren, meine Wege gegangen sind, denselben Sternenhimmel über sich hatten wie ich. Ich kenne sie nicht einmal. Nur wenige davon sind mir ein Begriff. Und das soll keine Angst machen?



me: Natürlich beunruhigt das.



myself: Beunruhigen ist kein Ausdruck! Es macht Menschen verrückt!



me: Aber nur solche die keine innere Ruhe besitzen?



myself: Wie sollte man die erlangen? Dafür braucht man Zeit. Viele Jahre der Selbstfindung. Viele Irrwege. Irrwege haben in unserer effizienten Welt keinen Platz.



me: Denkst du?



myself: Ja, ich denke das. Die Menschheit wirtschaftet bis in den Tod. Es geht um Leistung. Irrwege, Fehler einsehen, echte Lebensfehler, das ist marktwirtschaftlicher Unfug. Passt in keine Leistungsrechnung.



me: Die Marktwirtschaft ist auch nur ein Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte.



myself: Ein Wimpernschlag der für mich zu lange dauert bis die Augen wieder geöffnet sind.



me: Warum so passiv?



myself: Was kann ich schon tun.



me: Nicht resignieren!



myself: Was sollte man sonst tun? So viele Probleme, so ein kleiner Mensch. Ich bin nicht mal ein Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte. Ich bin eine Farce...



me: Du kannst dein eigenes Glück bestimmen.



myself: Wie? Ich habe keine Macht.



me: Du hast Macht über deine Gedanken und Einstellungen.



myself: Auch die werden regiert. Ich brauche gewisse Dinge zum Leben, die machen mich abhängig. Ich kann vielleicht denken was ich will, aber nicht sagen und tun was immer mir gefällt.



me: Du entscheidest was dir wichtig ist.



myself: Ja, aber ich entscheide nicht wie ich das finanziere. Alles kostet doch Geld auf dieser Welt. Derjenige mit Geld hat die Macht.



me: Du entscheidest ob die Macht dem Geld gehört, ob der Mächtige dein Leben bestimmt.



myself: Ich soll mein Leben auf ein Minimum herunterfahren, dass ich mir auf jeden Fall selbst gewährleisten kann?



me: Zum Beispiel. Allein das Wissen, dass es möglich ist, macht dich stark, gegen die Menschen, die mit Geld Macht erkaufen über andere Menschen.



myself: Was hat das jetzt mit meiner Angst zu tun?



me: Sein Leben richtig zu verbringen ist eine Lebensfrage. Herr über sich selbst zu sein entscheidet über das richtige Leben.



myself: Dann weiß ich auch nicht, ob es wirklich das Beste ist Herr über mich selbst zu sein. Ich habe das Gefühl, derjenige der mich am wenigsten kennt bin ich.



me: Herr über sich selbst zu sein setzt voraus, dass man sich kennt. Das ist eine lange Reise.



myself: Ich fürchte es gibt überhaupt keine einfachen Lösungen.



me: Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Das ist aber eine wichtige Etappe des Erkennens.



myself: Ich bin einen Schritt weiter?



me: Sieht so aus.



myself: Wie geht es weiter



me: Du wirst schon sehen.

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