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 Dass die Verlage langsam umdenken, hat wohl auch mit Selbstverlegern wie Amanda Hocking zu tun, deren Vampirromane bekanntermaßen erst als E-Books zum Bestseller wurden, bevor sie die Rechte für die Printausgabe meistbietend an einen etablierten US-Verlag verkaufte. Auch der übergroße Erfolg von E.L. James‘ Softporno „Fifty Shades of Grey“ ist vor allem auf E-Book-Verkäufe in den USA und Großbritannien zurückzuführen. Gewinnmargen wie diese wecken auch bei deutschen Verlegern Begehrlichkeiten. Deren Lesepublikum gilt allerdings als notorisch E-Book-skeptisch. Während in den USA 2011 schon mehr E-Books als gedruckte Bücher verkauft wurden, haben 77 Prozent der Deutschen noch nie ein E-Bookgelesen. Zwar hat sich im letzten Jahr der Umsatzanteil von E-Books am gesamten Buchmarkt auch hierzulande verdoppelt, doch geht es dabei um einen Sprung von 0,5 auf 1 Prozent. Dass E-Book-Käufer oft ausgewiesene Vielleser sind, macht das Geschäft mit digitalen Büchern allerdings wieder attraktiv – und Verlage experimentierfreudig.   

Meistens werden E-Books dabei zwar noch als digitaler Ableger des Printprodukts gesehen. Aber warum sollte man nicht die Vorteile eines E-Books nutzen und einen Titel besonders zeitnah auf den Markt bringen? Als sich im Juli die Situation in Syrien zuspitzte, zog so der Hanser Berlin Verlag die E-Book-Version von Jonathan Littells Aufzeichnungen „Notizen aus Homs“ vor. Dass der „Spiegel“ zu diesem Zeitpunkt eine große Geschichte über Buch und Autor brachte, spielte natürlich ebenfalls eine Rolle. Das gedruckte Buch dazu erscheint erst im August. E-Books eignen sich auch besonders gut, um die Marktgängigkeit eines Titels auszuloten. Bastei Lübbe bietet zum Beispiel unter dem Motto Digital First! zunächst rein digitale Fortsetzungsromane an. Vom Sci-Fi-Reißer „Survivor“ konnte man zum Beispiel ab 17. Mai jede Woche ein Kapitel auf iTunes kaufen. Ist er dort erfolgreich, besteht die Möglichkeit, dass er wie der Vatikanthriller „Apocalypsis“ später als Taschenbuch herausgegeben werden. Übrigens: Jedes Kapitel von „Survivor“ kostet die iTunes-üblichen 99 Cent – bei zwölf Kapitel macht das stolze 11,88 €. Die Taschenbuchausgabe dürfte billiger ausfallen. Dass die digitale Ausgabe teurer ist als das gedruckte Buch, ist eher die Ausnahme. Trotzdem stehen E-Books immer wieder in der Kritik, weil sie zu Preisen angeboten werden, die nur wenig unter der Printvariante liegen.
 „Die Preispolitik vieler Verlage dient vor allem dem Schutz des gedruckten Buchs“, meint die Verlegerin Christiane Frohmann, „das ist auch völlig nachvollziehbar“. Sie selbst muss auf Printausgaben jedoch keine Rücksicht mehr nehmen: Zusammen mit Sascha Lazimbat, der im digitalen Vertrieb gearbeitet hat, gibt die Literaturwissenschaftlerin und Lektorin ausschließlich E-Books heraus. „Druck- oder Lagerkosten haben wir so einfach nicht.“ Deswegen gilt für die Titel von eriginals berlin, ihrem gemeinsamen Verlag, auch eine 5-Euro-Schmerzgrenze. Zum Teil dürfte das wohl auch an der Länge der Texte liegen, denn die fallen oft wenig umfangreich aus. Die Kürze ist für Frohmann Teil der Programmgestaltung: „Bestimmte Bücher können nicht gedruckt werden, weil sie zu kurz sind, oder aber zu lang.“

Andere, Lyrik etwa, interessiere nur eine kleine Fangemeinde. Alles Fälle fürs E-Book. Das klingt ein bisschen nach bunter Spielwiese – und tatsächlich findet sich bei eriginals berlin die große Bandbreite. Die Twitterature ist mit Stars wie @vergraemer vertreten. Thriller sind im Programm, Short Stories und Sachbücher.
Manche Autoren bringen eine gewisse Etabliertheit mit, zum Beispiel outet sich Ruth Klüger in einem Essay als süchtige E-Book-Leserin. „E-Books bieten Autoren die Möglichkeit, gewagtere Projekte zu machen oder etwas, das dem Image nicht ganz so sehr entspricht“, glaubt Christiane Frohmann. In Printverlagen sei das weit weniger möglich.  

Für das Programm Aufmerksamkeit zu bekommen, ist für einen reinen E-Book-Verlag dagegen ungleich schwieriger. Warum sollte eine Buchhandlung schließlich für Titel werben, an denen sie nichts verdient? Frohmann und Lazimbat gingen eher wie ein Plattenlabel denn ein Verlag vor: Sie wandten sich direkt an die Downloadstores und machten dort Marketing. Auf Facebook richteten sie Diskussionsseiten ein. Und um noch direkter in Kontakt mit der potenzielle Zielgruppe zu kommen, etablierte Frohmann den „Katersalon“. Im Berliner Club KaterHolzig diskutieren und lesen dabei einmal pro Monat Autoren und Leser miteinander.

Damit es nicht beliebig wird, stehen Themen wie über dem Abend, am 15. August zum Beispiel „Berlin“. Inwiefern diese zum Erfolg der Titel beitragen, ist oft nicht einfach zu beurteilen. Überhaupt ist Erfolg im E-Book eine schwierige Größe. Er ist schwer messbar, weil – anders wie bei gebundenen Büchern – keine verbindlichen Absatzzahlen veröffentlicht werden. „Man weiß zum Beispiel nie, was eine gute Platzierung bei iTunes bedeutet. Theoretisch könnte der Titel, der einen Platz vor einem liegt, ja 10 000 Mal so viel verkauft haben, wie man selbst“, sagt Frohmann dazu. Hinzukommt, dass oft nur sehr hohe Absatzzahlen die Rentabilität garantieren. „Nur Bestseller sind kostendeckend, viel mehr kann man im Moment noch nicht erwarten.“
Sowieso gehe es den meisten E-Book-Machern eher darum, sich in einem neuen Kontext aufzustellen und den Zug nicht zu verpassen. Manchmal entwickeln sich die Dinge dabei auch anders als erwartet: Frohmann und Lazimbat, zum Beispiel, merkten nach einem Jahr digitalen Verlegens, dass sie das Programm zu weit gefasst hatten. Viele Autoren stellen laut Frohmann an einen E-Book-Verlag auch andere Ansprüche als an einen Printverlag: „Oft wollten sie die Rechte selbst halten.“ Sie selbst wollte den Spielraum des Formats E-Books mehr nutzen und ausschließlich das herausbringen, das sie am meisten interessiert: neue Literaturen und ästhetische Schriften. Also entschlossen die Verleger sich zu einer Umorientierung. Statt neue Titel bei eriginals berlin herauszubringen, sollen künftig im Frohmann Verlag Liebhabertitel erscheinen. Gleichzeitig werden Frohmann und Lazimbat unabhängig davon Autoren beraten, die sich professionell selbst verlegen wollen. Wie es scheint, führt am Self-Publishing gerade kein Weg vorbei.             

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