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Persönliche Worte statt Konfuzius - gerne auch per SMS

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Jetzt.de: Herr Denk, oftmals erfahren wir vom Tod eines Bekannten über Facebook. Gleichzeitig kondolieren wir den Angehörigen via SMS oder E-Mail. Sind wir pietätlos?
Karl Albert Denk: Was ist denn eigentlich Pietät? Ist das nicht für jeden einzelnen etwas anderes? Vor 100 Jahren war es noch üblich, Totenkarten der Verstorbenen öffentlich aufzuhängen, das machen wir heute in Deutschland auch nicht mehr. Traditionen und Rituale ändern sich, von daher finde ich Trauerbewältigung im Web 2.0 ist absolute Geschmackssache. Persönlich würde ich wohl nicht den Tod eines geliebten Menschen bei Facebook verkünden, aber es wäre auch anmaßend, andere dafür zu verurteilen.

Also ist es auch okay, jemandem sein Beileid in einer SMS auszudrücken?
Ein Großteil unseres täglichen Schriftverkehrs findet mittlerweile im Internet oder über Handy statt. Das ist für uns ganz normal geworden. Warum soll es also schlechter sein, einem Trauernden eine persönliche Mail oder SMS zu schreiben, als einen Brief auf Büttenpapier zu verfassen? Wichtig ist doch, dass die Worte aufrichtig und persönlich sind. Welches Medium dann gewählt wird, ist meiner Meinung nach egal. Abgesehen davon: Wenn Sie einen geliebten Menschen verlieren, ist Ihnen ziemlich egal, ob die Kondolenzkarte rot oder goldfarben ist. Da brauchen Sie erst einmal Trost und Kraft, alles andere wird unwichtig.

Das sagt sich so leicht. Für die meisten ist es allerdings ziemlich schwer, ihr Beileid in Worte zu fassen. Man hat doch immer Angst, etwas falsch zu machen, den Trauernden vor den Kopf zu stoßen...
Auch wenn es vielleicht banal klingt: Man sollte wirklich einfach schreiben, was man fühlt. Trauernde, schöpfen neue Kraft daraus wenn sie merken, dass ihre Freunde für sie da sind. Dementsprechend sollte man sich auch immer bewusst sein, dass eine Beileidsbekundung nur ein erster Schritt ist. Sie ersetzt keinen persönlichen Händedruck oder den Besuch der Beerdigung. Wird eine Beziehung nur via SMS beendet, schüttelt doch auch jeder den Kopf.

Aber Sie haben doch sicher schon einmal erlebt, dass sich jemand kritisch über ein Kondolenzschreiben bei Ihnen ausgelassen hat? Karl Albert Denk:
Tatsächlich kam es schon einmal vor, dass eine Frau um die fünfzig von einer gleichaltrigen Freundin nur in Form einer SMS eine Beileidsbekundung erhielt. Das hat sie ihr dann sehr übel genommen. Allerdings denke ich, derartige Probleme sind generationsabhängig. Hätte die Frau die SMS von einem jungen Menschen erhalten, hätte sie vielleicht ganz anders reagiert.

Gibt es trotzdem Dinge, die man Ihrer Meinung nach beim Verfassen einer Beileidsbekundung absolut vermeiden sollte?
Mir persönlich gefallen diese Trauersprüche aus dem Internet ja überhaupt nicht. Nur weil Konfuzius etwas Kluges gesagt hat, heißt das noch lange nicht, dass ich das für meine Trauerkarte abschreiben sollte. Generell sollten Floskeln, wohlmöglich auch noch aus dem Internet zusammenkopiert, vermieden werden. Da wäre auch ich empfindlich, würde ich merken, dass jemand sich nicht mal die Mühe gemacht hat persönliche Worte zu suchen.

Generell nimmt das Thema „Tod“ im Web 2.0 ganz neue Formen an. Wir können mittlerweile virtuelle Kerzen für Verstorbene anzünden, auf Facebook eine Trauerseite einrichten lassen...
Wie gesagt, ich stehe dieser Form der öffentlichen Trauerbewältigung nicht generell skeptisch gegenüber. Nehmen wir zum Beispiel die Timeline, die nun bei Facebook eingeführt wurde. In Zukunft wird es Generationen geben, bei denen die Timeline wirklich das ganze Leben eines Menschen, von der Geburt bis zum Tod, dokumentiert. Da legen dann bereits die Eltern für ihr Kind zum Zeitpunkt Null eine Facebook- oder Internetseite an. Aber ist das nicht auch ein schöner Gedanke? Die Vorstellung, dass die Erinnerung an Verstorbene zukünftig im Internet aufrecht erhalten werden kann?

Hat sich Ihre Arbeit als Bestatter in den letzten Jahren ebenfalls verändert?
Wir merken auf jeden Fall, dass die Leute immer mehr das Individuelle suchen. Ähnlich wie im Internet, wo Angehörige auf Trauerseiten beispielsweise Bilder des Verstorbenen einfügen und wichtige Lebensetappen eintragen, sollen auch Beerdigungen immer mehr das Persönliche hervorheben. Wir bieten zum Beispiel an, dass die Angehörigen den Sarg des Verstorbenen selbst bedrucken oder bemalen können. Auch individuelle Gedenksteine sind möglich. Auf der Beerdigung selbst spielen wir dann selbst gewählte Musik, denn nicht zu jedem Verstorbenen passen Lieder wie "Ave Maria".

Nun sind Sie erst 29 und bereits seit sechs Jahren mit einer eigenen Firma als Bestattermeister tätig. Wie kamen Sie zu diesem Beruf?
Meine Eltern leiteten früher eines der größten Bestattungsinstitute Deutschlands. Allerdings wollte ich nach der Schule nicht in der Firma meines Vaters arbeiten. Stattdessen entschied ich mich Betriebswirt zu werden, meine Eltern haben die Firma dann verkauft. Mit dem Berufseinstieg habe ich dann aber doch gemerkt, dass mich die Arbeit meiner Eltern sehr interessiert. Ich habe dann noch eine Ausbildung zum Bestatter absolviert und mich anschließend in Erding selbstständig gemacht. Mittlerweile bin ich Bestattermeister, führe meinen eigenen Betrieb mit 15 Mitarbeitern.

Wie reagieren die Freunde, wenn man auf einmal Bestatter werden will?
(lacht) Natürlich musste ich mir da eine ganze Menge Witze anhören, aber je älter ich werde, umso besser reagieren die Leute auch darauf. Unser Bild von Bestattern ist ja geprägt von Filmen. Viele kannten dann „My Girl“, wo der Vater sein Bestattungsinstitut noch im Haus hat. Aber Freunde, die mich gut kennen, wissen natürlich, dass das ein Beruf wie jeder andere ist.

Würden Sie denn sagen, Ihr Blick auf das Leben hat sich durch den Beruf verändert?
Auf jeden Fall. Mir ist das eigene Dasein und Sterben sehr viel bewusster geworden, insbesondere in Anbetracht der vielen schlimmen Schicksale die ich hier erlebe. Ängstlicher geworden bin ich allerdings nicht.

Gibt es denn etwas, wovon Sie im Leben abraten würden?
Ich fahre nicht Motorrad. Das Thema ist dank meiner Erlebnisse im Beruf durch. Aber das handhabt auch jeder anders. Ein mit mir befreundeter Bestatter hat sich beispielsweise gerade eine Rennmaschine gekauft. Der Satz „Genieße jeden Tag Deines Lebens, als wäre es der Letzte“, lässt sich halt unterschiedlich auslegen.

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