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Mein idiotisches Herz.

Text: paulscousine
Nein, ich bin noch nicht bereit darauf zu verzichten. Auf dieses leise Pochen unterhalb des Brustkorbes, das ich fühlte, wenn ich mit dir in unsere Bar ging. Damals, als mich nichts glücklicher machen konnte, als den Abend lang neben dir zu stehen, deine Stimme zu hören, deine Blicke zu spüren und Antworten auf deine Fragen zu finden. Deine wunderbaren Fragen, die so tief gingen und so anders und treffend waren, dass ich das Gefühl hatte, mich völlig neu erzählen zu können.

Es scheint wie ein anderes Leben, die Erinnerung daran.
Als ich dich Feuerjunge nannte und du jeden Tag eine neue Lieblingsstelle an meinem Körper fandest. Als ich mich nicht satt sehen konnte an dir und du mir immer und immer wieder sagtest, wie schön ich sei.

Jetzt bemerke ich die Blicke der Männer. Und ich schaue nicht gleich weg. Ich fühle mich leer. Weil deine Blicke fehlen. Es hat schon begonnen. Dass du mich nicht mehr siehst. Und ich greife zu den billigsten Mitteln. Ein bisschen kalte Schulter zeigen. Ein bisschen Eifersucht schüren. Bald wird auch das nicht mehr funktionieren.

Doch dir scheint nichts zu fehlen. Ich sehe dich und du wirkst glücklich damit. Oder nennen wir es zufrieden. Ich schau dich an und wundere mich. Du bist angekommen. Du bist jetzt da.
Jetzt kann es immer so weitergehen.
Und mein idotisches Herz seufzt und flucht und ächzt,
weil es alles, alles, alles will. Nur nicht ankommen.
Niemals ankommen.

Weißt du, ich kann mir Schöneres vorstellen, als stundenlang vor dem Spiegel zu stehen, Kleider und Frisuren zu wechseln, um so auszusehen, dass du mich aufregend finden könntest. Ich kann mir wirklich Schöneres vorstellen, als mal wieder ohne einen Funken Selbstbewusstsein durch die Straßen zu ziehen und mich von Aufmerksamkeit zu Aufmerksamkeit zu hangeln.

Es ist nicht das erste Mal. All die alten Geschichten, das Verlassen, das Vermissen, das Begehren, das Verzweifeln, fallen mir wieder ein. Warum sollte ich diesmal stärker sein, warum sollte es diesmal halten. Warum sollte ich diesmal daran glauben, wo ich das letzte Mal glaubte und hoffte und versuchte und doch nur enttäuscht wurde.

Es ist der nüchterne, verbitterte Blick, den ich wieder ausgepackt habe. Der mich immer mehr zum Zweifeln bringt. Doch ich wage es nicht, das auszusprechen. Ich kenne mich. Man kann mir nicht trauen.

Ich zweifle doch nur, damit es leichter wird zu gehen.






Bild: Christopher Landin.

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