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Weiß

Text: Elinor
Systematisch war sie vorgegangen. Hatte alles auf einen Zettel geschrieben, was ihr noch wichtig war. War in Gedanken Raum für Raum und Schublade für Schublade durchgegangen. Hatte die Reihenfolge aufgeschrieben, in der sie alles zusammenpacken würde. Den Verstand einschalten und Gefühle ausblenden. Der riesige Transporter war dann doch nicht so groß und wurde immer kleiner. Mehr hätte es nicht sein dürfen und doch war es genug. Viel zu viel. Jedes Ding für sich genommen nicht, aber die Erinnerungen und Gefühle, die an jedem Gegenstand hafteten, wogen viel mehr als alle Kartons zusammen. Der Nachbar, dem sie auf der Treppe begegnete, hatte nur ein kurzes verlegnenes "Hi" für sie und machte sich schnellstmöglich aus dem Staub. Die hinter Gardinen verborgenen Blicke ließen sie den Kopf ein Stückchen höher tragen. Nur keine Blöße geben. Keine Tränen zeigen, denen, die einst Ersatzfamilie waren. Niemand ließ sich blicken und doch waren sie da. In diesem Dorf, dass alle immer Stadt genannt hatten, blieb soetwas nicht verborgen. Sowas sprach sich immer ganz schnell rum. Nochmal durch alle Räume gehen. Nicht so sehr um zu sehen ob nun all das , was sie in diesem Haus ausgemacht hatte nun verschwunden war. Mehr um Abschied zu nehmen, sich alles noch einmal einzuprägen, um sich zu erinnern. Schon die Spuren einer Anderen erahnend. Und dann noch der weiße Zettel mit dem Schlüssel drauf. Nicht ganz so weiß wie gedacht. Ein Lebwohl. Aber der Schnee unterm Fenster kündigte sich ja auch erst an nach einer frostigen Nacht. In Gedanken durchlebte sie die Abschiedsszenen und entschied einfach zu fahren. Egal war es ihr nicht. Aber die Kraft war nicht mehr da. Die Strasse sah sie nur verschwommen. In dem Bewußtsein sie nie wieder zu befahren, verließ sie diese Stadt, denn die Menschen hatten sie zu einer gemacht und machte sich auf den Weg in ein anderes Leben.




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