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Das geschundene Kind

Text: Fokosina
Geraldine:



Ich freue mich sehr, liebe Besucherin und lieber Besucher, liebe Freundin und lieber Freund dieser Seite, dass du wieder hier bei mir angekommen bist. Jetzt hast du wieder eine Zeit durchlebt und die Zeit ist dahingeflogen. Einiges konntest du klären, aber einiges hast du noch offen, an Gesprächen und Erklärungen. Das ist normal und an einigen Problemen wirst du reifen und deinen Weg in die Weisheit fortsetzen.

Der Weg in die Weisheit.

Wie wäre es schön, wenn so mancher Priester oder mancher Mann, der sich der Kirche zugewendet hat, diesen Weg beschritten hätte oder beschreiten würde.



Es ist kein Aufschrei durch die Amtkirche gegangen, sondern die Frauenlosen-Oberen dieser Amtskirche versuchen immer noch, ihre eigenen Gesetze, die über Jahrhunderte von den verschiedensten Patriarchen, die sich ja Stellvertreter-Gottes-auf-Erden nennen, erlassen und stellenweise gegen unterschiedlichste Widerstände durchgesetzt wurden, weiter durchzusetzen.



Endlich ist das Thema Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, also an unschuldigen Menschen, die sich gerade aufgemacht haben ihr richtiges Leben zu meistern, nach Außen getreten.



Wenn du dir selbst, liebe Freundin und lieber Freund, einmal vorstellst, in einer kirchlichen Schule oder in einer anderen Einrichtung als Jugendlicher oder Kind gewesen zu sein, wie hilflos du dich schon gefühlt hättest, wenn deine leiblichen Eltern dich dort untergebracht hätten.



Welche Seelenpein wäre in dir gewesen?



Mit dieser Seelenpein wärest du dann gegrenzt an einen Lehrer, der dir Vertrauen gegeben hätte, dessen Zuneigung du gespürt hättest und dem du vertraut hättest.



Natürlich hättest du dich geöffnet und hättest ihm vertraut.



Doch dann das.



Zu Beginn des Missbrauchs hättest du dich vielleicht noch nicht einmal gewundert, weil gestreichelt und liebkost warst du vielleicht nicht gewöhnt, weil deine Eltern vielleicht nicht in der Lage waren, dir Liebe zu geben.



Dann aber solltest du Handlungen vollziehen, die gegen deine Ethik, deine Würde und gegen deine Seele gingen.



Nun gab es Kinder, die noch einen Halt im Elternhaus hatten, die sich gesträubt haben, diese Handlungen zu vollziehen.



Sie haben sich also selbst gerettet.



Die aber, die sich zur Abwehr und Abkehr nicht gesträubt haben, erlebten diesen Ekel.

Einen furchtbaren Ekel, der ihnen vielleicht über Jahre dann den Hals zuhielt.



Die tägliche Hoffnung, dass dieser tief im Innersten geliebte Mensch und Vorbild es nicht mehr tun würde.

Er tat es aber weiter.



Als er dann aufhörte, war dieses Kind oder Jugendliche plötzlich allein und ohne Liebe. Der Ekel aber blieb. Dieser Ekel bleibt ein Leben lang in der Seele eines solchen gequälten Menschen.



Nun dauert es Jahre, vielleicht ein oder zwei Jahrzehnte, bis ein solcher Mensch über die erduldeten Taten reden kann. Vielleicht hat er es geschafft eine Partnerin zu finden, wo er sich öffnen konnte und über das Erduldete reden konnte oder kann. Kann er es nicht, bleibt ihm dieser Kloß des Ekels bis zu seinem Weggang auf Erden erhalten.



Der Täter aber hat weiter gemacht und macht noch weiter und wird und wurde sogar von seinem Arbeitgeber, dem er Keuschheit gelobt und geschworen hat, weiter beschäftigt.

Er wurde und wird im Rahmen dieser Amtskirche weiter beschäftigt, noch nicht einmal therapiert und wird weiter losgelassen auf das nächste Kind.



So blickt die Öffentlichkeit mit mehr oder minder großem Entsetzen auf das Geschehene.



Ich will hier niemanden an den Pranger stellen. Ich glaube aber, dass sich alle die, die heute noch Täter sind freiwillig stellen sollten. Oder geht das nicht in dieser Kirche?



Oder werden die Sünden so oder so vergeben? Ob derjenige sich stellt oder nicht?



Schaut jetzt vielleicht sogar so mancher höhere Würdenträger ängstlich auf seinem Lebenslauf zurück und lässt ihn noch einmal Revue passieren? Hat er nicht doch immer die Liebe gepredigt, die Ehelosigkeit verteidigt und werdenden Eheleuten gute Ratschläge gegeben? Spürt er vielleicht jetzt, dass da doch etwas war, was anderen seelischen Schaden zugeführt hat?



Niemand soll verurteilt werden, aber ich glaube, dass es in dieser Gesellschaft erst die Spitze des Eisberges ist, die nun nach außen geschwemmt wird.



Wenn man einmal von der grundsätzlichen Liebe der Eltern zu ihrem Kind absieht, so sollte Liebe und auch körperliche Liebe, immer auf Augenhöhe geschehen. Jeder sollte und darf das am anderen tun und tun wollen, was er selbst erleben und an Liebe erhalten will.



Niemals sollte ein Kind von einem Erwachsenen zur körperlichen Liebe verführt oder gezwungen werden.



Dies ist ein Gesetz der Ethik.



Jeder Erwachsene sollte erkennen, dass auch das jüngste Kind eine erfahrene Seele in sich trägt und in diesem, jetzigen, richtigen Leben, in die Rundheit und in die Vollendung seines Seins kommen möchte.



Wenn du dir die Seele, liebe Freundin und lieber Freund, einmal wie die Erde vorstellen willst, so ist ein solcher Missbrauch so zu betrachten, als würdest du mit riesigen Händen und Armen, diese Erde aus dem Universum wegstoßen, in das Weite und Unbekannte des für Menschen nicht mehr Sichtbare.



Die Seelen dieser Kinder sind so verletzt, dass diese Menschen kaum noch in der Lage sind, ein normales Leben mit einer normalen und natürlichen Sexualität zu leben. Ihr Vertrauen zu anderen Menschen ist über Jahrzehnte verletzt. Viel, viel Eigenarbeit und Gespräche mit Vertrauten sind nötig, um wieder Fuß zu fassen.



Der Gedanke, dass der Täter auf der Kanzel steht und den Menschen seine Gedanken näher bringt, ist dann genau so entsetzlich wie die Vorstellung, dass er jetzt Lehrer ist in einem Internat.



So habe ich dir jetzt, liebe Freundin und lieber Freund, nichts Erfreuliches berichten können, aber ich glaube, dein Verständnis ist und war groß genug.



Es wird in Zukunft darum gehen, jeden Menschen selbst in seine Weisheit zu bringen und ihm klar zu machen, dass nur er für sich selbst und vor sich selbst verantwortlich ist.



Vor sich selbst verantwortlich zu sein bedeutet, auf sich selbst zu schauen und seinen Weg in die Weisheit zu gehen.



So grüße ich dich in Liebe

Geraldine.

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