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04.10.2009

Text: Zwischenruf
Es gibt Briefe, die der Empfänger nicht lesen wird. Damit sie überhaupt jemand liest, sind sie hier.



Lieber Papa!

Es ist jetzt zwei Tage her, dass Du uns einfach so alleine gelassen hast (ich weiß nicht, ob Du Zeit noch kennst?) und ich kann es nicht glauben und will es nicht glauben. Sag mir, warum Du einfach gegangen bist? Warum hast Du uns einfach so alleine gelassen? Ohne Vorwarnung hast Du Dich einfach davongemacht und wir sind jetzt vollkommen alleine.

Sag mir, was wir ohne Dich machen sollen? Wenn Dein Sessel jetzt für immer leer bleiben wird, wenn Du nie mehr anrufst, um die haarsträubenden Geschichten zu erzählen, wie Du diesen und jenen Baum gestutzt hast.

Sag mir, was mit all dem passiert, was Du noch vorhattest - Du wolltest Dich doch immer Januar um den Hund kümmern und in Urlaub fahren.

Sag mir, wer die Ananas und die Erbsensuppe essen soll? Und warum bist Du an Deinem Geburtstag einfach nicht da? Wen soll ich denn abends anrufen, wenn mich mein Alltag geschafft hat und ich einfach eine vertraute Stimme hören will? Wer soll mich denn immer fragen, wohin ich fahre, wann ich wiederkomme und mit wem ich mich denn überhaupt treffe?

Weißt Du, wie fassungslos Du uns zurückgelassen hast? Immer wieder greife ich zum Telefon, um Dich im Krankenhaus anzurufen, weil wir ja heute - und gestern - noch gar nicht miteinander gesprochen haben und ich doch wissen will, wie es Dir geht. Immer, wenn ich nach Hause komme, erwarte ich Dich in der Küche mit dem Müsli in der Hand, im Garten am Rosen-Schneiden, im Wohnzimmer vor dem Fernseher, im Büro, um die Steuererklärung zu machen oder im Bett, wo Du nicht einschlafen kannst - auch weil Du nicht weißt, wann ich denn nach Hause komme.

Ich fasse es nicht, ich will es nicht fassen, dass Du nicht mehr da bist. Wir haben doch vor drei Tagen noch miteinander gesprochen und Dir ging es doch so gut. Du warst doch so optimistisch. Du hast gesagt, dass Du morgen nach Hause willst. Und Deine Hand, die Du mir gegeben hast, war doch ganz warm.

Weißt Du, wir wissen alle nicht, wie es ohne Dich weitergehen soll. Du warst doch immer da - vielleicht mal on tour, aber immer greifbar. Und ich habe Dir so viel nicht erzählt, was mir wichtig ist, von dem Du wissen solltest, damit Du aufhörst, Dir Gedanken zu machen. Ich weiß, dass Du Dir Sorgen gemacht hast und vielleicht weiß ich jetzt ein bisschen mehr, warum.

Ich verstehe einfach nicht, warum. Wie das passieren konnte. Natürlich warst Du krank, aber doch nicht so krank, dass Dich eine solche Kleinigkeit schafft. Niemand versteht es. Sie rätseln alle mit ihren Doktor- und Professoren-Titeln. Aber das hilft nicht. Dass Du uns allen ein Rätsel aufgegeben hast, wird für mich nicht dadurch gelöst, dass ich irgendwann irgendeinen medizinischen Grund weiß. Denn das "Warum?", das ich frage, geht darüber hinaus.

Ich weiß nicht, ob wir das ohne Dich schaffen. Wir hätten Dich doch noch so sehr gebraucht. Aber das, was ich Dir nicht mehr gesagt habe (ich hoffe, Du wusstest es immer!) muss ich jetzt schreiben:

Ich hab Dich lieb!

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