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"Auf einmal war ich der Che von Deutschland". Der neue Max Herre im Interview

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jetzt.de: In der Presseinfo steht, dass „Ein geschenkter Tag“ unverhofft, voller Hoffnung und dabei völlig selbstverständlich aus dem Kalender fällt. Meinst du, dass viele deiner alten Fans dieses Gefühl von Selbstverständlichkeit teilen werden? Max Herre: Ich glaube, dass man durch die Sachen, die ich bisher gemacht habe, einen hohen Grad an Authentizität mit mir verbindet. Bei mir war immer alles echt, und das ist es auch bei diesem Album. Daher glaube ich, dass die Leute das neue Genre eher als Entwicklung sehen, nicht als Bruch. Denn auf dieser Platte hört man den Max Herre, der ich heute bin. Auch vom Eklektizismus-Ansatz deines letzten Albums ist nicht mehr viel übrig geblieben. Das stimmt. Aber gerade weil die letzte Platte sehr vielseitig war, wollte ich diesmal ein absolut homogenes Album machen. Ein Album, das ganz und gar bei mir ist – vollkommen unabhängig davon, wie es am Ende wahrgenommen wird. Dann gab es also gar keine Überlegungen, noch mal eine Rap-Platte zu machen? Doch, natürlich. Aber ich habe irgendwann gemerkt, dass sich das, was ich erzählen möchte, nicht mehr in einem Rap-Text sagen lässt. Ich wollte zwar Emotionen transportieren, aber keine schmutzige Wäsche waschen. Ich hätte mich zudem wieder in einer Szene positionieren müssen, mit der ich schon lange nichts mehr zu tun habe, das Genre neu definieren und den nächsten Schritt machen müssen. Aber anstatt mich nach außen hin darzustellen, wollte ich lieber noch mehr nach innen gehen. Etwas machen, das verständlich und unprätentiös ist. „Ein geschenkter Tag“

Es passiert doch zwangsläufig, wenn man in der Öffentlichkeit steht, dass sich Fans und Medien ein Bild von der Persönlichkeit des Künstlers machen. Wir gehst du damit um? Als 1999 der Riesenboom war und wir mit dem Freundeskreis und 300.000 verkauften Platten plötzlich Stars waren, hat mich das komplett überfordert. Auf einmal war ich der Che von Deutschland und musste mit jedem politischen Journalisten eine Grundsatzdebatte über Themen führen, von denen ich selbst keine Ahnung hatte. Dieser Schuh war viel zu groß für mich, deshalb habe ich mich auch einige Jahre lieber in die zweite Reihe gestellt und die Karriere von Joy vorangetrieben. Mir geht es in erster Linie um die Musik, dafür muss ich nicht permanent in der Öffentlichkeit stehen. Beim Rap stellt man ja oft das eigene Ego in den Vordergrund, was deinem Wesen demnach gar nicht so sehr zu entsprechen scheint. Ja, das stimmt. Ich bin tendenziell eher ernsthaft, auch was meine musikalischen Vorlieben angeht. Ich mag Stevie Wonder, Bob Marley, Curtis Mayfield, Bob Dylan – weil das Leute sind, die für etwas stehen. So bin ich musikalisch sozialisiert worden. Daher habe ich auch nie diese Lockerheit gehabt, eine reine Rap-Kunstfigur zu kreieren. So habe ich nie funktioniert. Auch dein Lindenberg-Faible scheint auf dem Album wieder durch. Mit „Mädchen aus Ostberlin“ hast du erneut einen seiner Songs gecovert. Ich mochte diesen Song schon immer. Und im zwanzigsten Jahr des Mauerfalls fand ich es einfach passend, diese Liebesgeschichte vor dem politischen Hintergrund der DDR-Diktatur noch mal zu erzählen. Hinzu kommt, dass ich mit meiner Musik genau so für die beiden Welten stehe, die in dem Stück behandelt werden: Emotionalität in Kombination mit einer gesellschaftlichen Komponente. Auf dem Cover der Platte stehst du in Schwarzweiß-Ästhetik stocksteif auf einem Schemel und schaust sehr ernst. Es wirkt ein bisschen so, als hätte die Requisite vergessen, dir einen Strick um den Hals zu hängen. Diese Assoziation hatte ich eigentlich nicht im Kopf. Aber warum nicht? Im Leben geht es viel um Dualitäten, um das Fällen von Entscheidungen, um den schmalen Grat, auf dem man wandert. Und es war tatsächlich so, dass ich in den letzten Monaten keine besonders gute Zeit hatte. Aber ich habe mich besonnen und unter diesen Umständen eine Platte geschaffen, auf die ich sehr stolz bin. Und dieses Gefühl, zwischen hell und dunkel den Weg ins Licht zu finden, das transportiert das Album auch. Deswegen stehe ich auf diesem Schemel. Aber eben ohne Strick.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Ein geschenkter Tag" von Max Herre erscheint am 18. September

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