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Liebe F.

Text: lousal
ich danke dir für deine ausführliche email, in der du versucht hast meine person und mein handeln zu betrachten . ich habe dir ja schon eine kurze notiz zukommen lassen, dass ich vieles sehr passend fand.

für mich ist es immer besonders wichtig, zu erfahren, wie andere mich sehen, wie ich von anderen empfunden werde. und da du eine meiner vertrautesten und mir liebsten bist, ist es von deiner seite aus exponiert wichtig.

zur zeit lasse ich es immer wieder mal zu, dass ich oder man mich beleuchte(t)... ich gehe ja seit einer kleinen weile wieder zu einem therapeuten und da sollte es zweckgebunden so sein. aber auch dort schirme ich ab, nicht allzu gekonnt, der therapeut ist sehr aufmerksam und sieht, was ich versuche abzuziehen, teilweise für mich völlig unkontrollierbar und unbewußt. sowieso ist bei allem, was wir tun und denken und fühlen und handeln ständig das unbewußte eingeschaltet und läuft wie als eine art untertitel mit. das sich anzuschauen kann sehr sehr mühsam sein. ich will mich aber gerne quälen damit, es bringt mich mir selbst wieder näher und das kann ich gebrauchen.

ich habe ein talent dafür in schönen schmückenden worten um den heißen brei herumzureden, ablenken, von mir weg, übersichtlich von anderem erzählen, das an mir haarscharf vorbeischrabbt, haarscharf. das ist kunst.

ich habe es scheinbar lange kultiviert, so lange, dass es mir mittlerweile selbst kaum noch auffällt.

wenn mich jemand daraufstoßen will, muß er krasse wege und mittel wählen.

du schaffst das mit so einer mail von dir, oder eben einem ehrlichen gespräch, der junge schaffts mit einer besonderen eindringlichkeit, die er dann zu mir herstellen kann. es ist, als ob er mir sehr sanft eine maske abnimmt, sie langsam zur seite legt, mich tief ansieht und das richtige sagt, das richtige auch zu meinem körper sagt, sodass ich entweder zu toben beginne wie ein wildes pferd oder aber sehr still werde, sehr klar...zwei gemütszustände,die sehr unterschiedlich erscheinen, aber eben die enden auf einer skala bilden, die das menschliche mitteinander beschreibt.

siehst du.

die ganzen oberen absätze sind gelaber, erklärungen, schrabben haarscharf an dem vorbei, was wehtun könnte.

ich bin komplex. you too.

ich t r a u e mich nicht zu leben, f., glaubt man das? ich halte das für den eigentlich größten fehler, dass ich nicht die XXX geworden bin und w e r d e, die ich immer als bild vor mir hatte. jahrzehntelang. das erschrickt mich immer wieder und schüttelt mich innerlich sehr durcheinander. ich bin all das, was ich nach außen austrahlen möchte, nach innen n i c h t.

ich habe riesige angst davor, dass die menschen, die ich liebe, gehen, mich verlassen und ICH daran selbst schuld bin. dieses alleine zurückgelassen werden, ich werd das nicht los. das zeigt sich ja schon in streitereien: ich gehe entweder in den angriff über und ziehe sachen ab, die jeglicher vernunft entbehren oder aber ich schmeiße das handtuch, gebe meinem kontrahenten zu verstehen, dass ich diesen streit nicht ernst nehme und somit auch ihn nicht und gebe auf, mit wehenden fahnen falle ich dann in mein selbstmitleid ein, versuche mich damit zu trösten, dass ich es doch g u t gemeint habe.

ich habe keinerlei regulierung für so etwas in mir.

ich kann mich selbst sehr hassen, aber ich glaube, noch mehr hasse ich mich in anderen:

wie ich manchmal den jungen fertig mache, nur für dinge, die er mir spiegelt, viel zu heftig, daran merk ich das dann immer, ...oft auch erst nach einer weile. ein bisschen zeit brauchts auch für das erkennen.

bei DIR habe ich angst, dir meine meinung zu sagen. ich empfinde dich als recht schnell beleidigt, du hast manchmal auch so was zickiges, kaltes an dir, auf das ich dann gar nicht reagieren kann, ich ignoriere es, solange es geht. überhaupt gibt es zwischen uns noch unterschwellige bomben, die wir nie richtig geklärt haben, die ab und zu in unsere begegnungen mit hineinspielen, etwas vorsichtiges. vielleicht ist das nur meins.

ich bin immer sehr vorsichtig mit dem was ich sage, wenn ich das gefühl habe, der andere könnte dem nicht standhalten. das ist total kontraproduktiv und ich weiß das mittlerweile auch. ich entmündige.

ich erinnere mich noch an unser gespräch, als es hieß ich würde diese bestimmten »Signale« senden. ich konnte damals gar nichts damit anfangen, aber mittlerweile ahne ich, das es stimmt.

du schreibst: »Ich glaube du willst für nichts und niemanden verantwortung übernehmen, getreu dem motto: komm ich heute nicht, komm ich morgen vielleicht auch nicht.«

ja, das ist so. ich weiß nicht, wie ich das ändern soll. auch nicht, ob ich das überhaupt schaffen würde. das würde bedeuten, ich müsste meine angst überwinden, springen, ohne zu wissen, wo ich aufkomme. Obwohl ich das anderen immer predige, ist es für mich nicht vorstellbar und somit nicht umsetzbar.

du hattest das gefühl, schreibst du, ich wäre eher zu dem gestorbenen hund meiner freundin gefahren, als zu dir. als sei mir a. lieber, wichtiger, mehr und näher am herzen – das hat mich wirklich betroffen gemacht. a. und du, ihr seid tier und mensch und somit gar nicht vergleichbar. aber darin steckt natürlich etwas ganz explosives. der tod rüttelt mich immer auf, da werde ich tätig, wo ich andernfalls nur träge mit der wimper zucken würde. weil es endgültig ist, unsere freundschaft – meiner meinung nach - aber eben nicht.

Liebe f., ich werde des schreibens müde, ich sage ja doch nichts aus.

vielleicht sollte ich einfach zu dir fahren, die läppischen 500km in kauf nehmen, um dich in den arm zu nehmen und festzuhalten, dann, wenn du es gebrauchen kannst, um dir zu z e i g en, wie viel mir an dir und deinem wohlergehen, deiner entwicklung liegt.

ich liebe dich, wie ich dich immer geliebt habe, auch in zeiten des unverständnisses und des hasses.

meiner loyalität sei dir versichert.

meine zeit will ich dir mehr schenken, ich habe wirklich fahrlässig gehandelt. mir bereiten eben auch beziehungen schwierigkeiten im umgang mit denen, die sie führen. du bist nun auch zu zweit. ich gerate ins schlingern ohne feste kanten, an die ich mich halten kann, und da, wo zwei welten, zwei wesen zu einer,zu einem verschmelzen, da werde ich unruhig, ziehe mich bisweilen aus der direkten beziehung zurück und belasse es bei einer schwammigen drübersteh-beziehung im stile: beiden ein bisschen, keinem ganz.

liebste, ich ende wo ich begann: ich danke dir.





fühl dich fest umarmt,

geküsst, gehalten,

lou.












(aufgrund der diskussion bei saftschubsi: copyright dieses bildes liegt bei f.´s vater s.)

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