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Wintersport - Eine neue Ära - Und eine Warnung an alle NICHT-Wintersportler

Text: laesperanzafavivere
Nachdem es mir in meinem bisherigen Leben immer wieder erfolgreich gelungen war, jede Idee und jeden Vorschlag motivierter Freunde und Bekannten auf einen Aufenthalt in einem Wintersportort (welch schönes Wort) sofort im Keim zu ersticken, so sollte ich diesesmal an der Hartnäckigkeit meiner neuen Kollegen scheitern. Jedes Jammern und Wehklagen über mangelnde Wintersportkenntnisse, Kälteempfindlichkeit, Sommerreifen, Zweilinksfüßigkeit, Konditionsschwäche, mangelndes Augenlicht, Schneeblindheit... alles wurde pariert, abgeschmettert oder stieß schlichtweg auf taube Ohren.



Es half also alles nichts. Meine letzte Karte, mein Ass im Ärmel, das schöne 4**** Wellnesshotel mit Jacuzzi, Sauna, Thermalbad, Fangobad und gutaussehenden, durchtrainierten MasseurInnen,wurde nur sanft und milde belächelt und mit den Worten bedacht, das können man sich dann ja mal im nächsten Jahr vornehmen...



So half dann also alles nichts mehr. Die Kreditkarte wurde belastet, das Sportgeschäft geplündert und das Cabrio winterfertig gemacht und mit brasilianischer Sambamusik ausgestattet.

Raus aus der Stadt und rein in die Berge.

Langsam in Richtung hügeliger Schneelandschaft, schaffte ich es dann auch nur noch mit Mühe mein Desinteresse aufrechtzuerhalten.

Aber so schnell wollte ich mich nicht überzeugen lassen.

Quartier wurde bezogen, wollene Unterwäsche entrollt und Minuten später rauschten vier Michelinmännchen den heiligen Pisten entgegen.



Erst der Mann in der Snowboardausleihe brachte endlich das zum Ausdruck, was ich mir schon die ganze Zeit dachte, nämlich dass ich verrückt sein müsse: WAAAAS zum ersten Mal snowboarden und dann gleich auf die Piste? Wobei er dann noch die Augen dramatisch himmelwärts drehte, sich bekreuzigte und mindestes drei AveMaria ausstiess. Beim Abschied schienen im die Tränen in den Augen zu stehen, als er mir mit traurigem Unterton mitteilte, wie schön es gewesen wäre, meine Bekanntschaft gemacht zu haben und wie schade es wäre, dass wir uns nun wohl nicht mehr sehen würden.

Ich fiel ihm dann nicht um den Hals, aber ein Stein fiel mir auch nicht vom Herzen.



Nun wurde es ernst. Mit Boots beschwert und Snowboards in den frostigen Fingern gings dem Berg entgegen.

Das Brett unter den Füßen wurden erste Versuche gestartet, die ab und an abrupt in den Armen neuer Bekanntschaften endeten...

Doch nun keimte, gegen meinen Willen Begeisterung auf.



Ich sah diese jungen, coolen Wesen elegant die Hügel entlang schwingen, gleiten, fast schwerelos. Mit der Selbstverständlichkeit mit der eine gelbe Gummiente in einer Badewanne schwimmt, so schwebten sie über verschneite Abhänge.



Zu ihnen wollte ich gehören und endlich die 5 bis 7-jährigen am Idiotenhügel zurücklassen und nur noch von Ferne belächeln! Ach, wär ich doch bei ihnen geblieben...



Zwei meiner Begleiterinnen, des snowboardens in jahrelanger Übung mächtig hatten mich schon vor Stunden verlassen um in halsbrecherischer Geschwindigkeit über Berg und Tal zu sausen.

Als sie wieder zu uns stießen und nach den erworbenen Fähigkeiten fragten und vorschlugen nach OBEN zu fahren, d.h. mit dem Lift, lag mir das Ja locker auf der Zunge. Zumal ich ja schon fast zwei mal fast ohne zu fallen fast 15 m zurück gelegt hatte! Ha, snowboarden, nichts leichter als das. Alles Pipifax. Kein Berg schien mir zu hoch!



Und schon ging es los...

Oben peitschte eisiger Wind erbarmungslos in mein noch gipfeljunfräuliches Gesicht. Brrrr. Langes Warten war also nicht gefragt. Ich klickte meine Schuhe ans Board und stürzte mich den Hang hinunter. Ein Gefühl grenzenloser Freiheit und ein Rausch der Geschwindigkeit erfasste mich und ich fuhr, als hätte ich mein Lebtag nichts anderes getan als mich vereiste Pisten hinunterzustürzen.

Bis mich ein vereistes Feld jäh aus meinen Snowboardträumen riss.



Es riss mich hin, wirbelte mich herum, Bauch über, Kopf über, über Rücken, Nacken und Bauch und schien gar nicht enden zu wollen, dieser Sturz. Dabei nahm ich wohl unterwegs noch einen jungen Mann mit, der mir vermutlich half, meine Fahrtgeschwindigkeit zu bremsen. Als ich endlich stoppte, war mir für einige Sekunden nicht klar, ob noch alle Körperteile an der richtigen Stelle waren und auch noch in ihrer angedachten Position das taten was sie sollten. Check Arm 1, Check Arm 2.... Ich war erstaunt, dass ich alles noch bewegen konnte, wenn allerdings manches ein wenig schmerzhaft.



Um es kurz zu machen: Ich schwebte die Piste nun nicht mehr hinunter, ich ächzte Sie hinunter und beneidete unterwegs ein klein bisschen die Kinder auf dem Idiotenhügel, auf dem sicher noch ein Plätzchen frei gewesen wäre... aber:



So kann ich nun lässig sagen, wenn mich jemand fragt, warum ich nicht zur Arbeit komme: Ach weisst du, angeknackste Rippe, kleiner Sturz beim Snowboardfahren, rote Piste, schlechte Wetterverhältnisse, du weisst schon... Und, wenn man dann dieses verständnisvolle Mitleidslächeln der anderen Wintersportler bekommt, weiß man: Man gehört dazu. Mit einem Fuß im Grab, aber mit dem anderen auf der Piste. Ich liebe Wintersport.


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