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Ideenausverkauf oder Ideenavantgarde? Über die Online-Werbeagentur Trawlix

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jetzt.de: Jeder jammert über die Wirtschaftskrise, Unternehmen kürzen ihre Werbebudgets – und Sie gründen ausgerechnet ein Internet-Portal, das Werbe- und Marketingaufträge vermitteln soll. Halten Sie den Zeitpunkt für günstig? Michael Radermacher: Möglich, dass die Marketingbudgets vieler Unternehmen im nächsten Jahr ein bisschen schlanker werden. Aber vielleicht macht sich das eine oder andere Unternehmen deshalb Gedanken, wie es kostengünstiger arbeiten könnte. Wenn wir an der Ausschreibung beteiligt werden, könnte es unter dem Strich günstiger werden als bei einer etablierten Agentur. Die momentane Entwicklung könnte uns also sogar zugute kommen. Das heißt, Unternehmen können Ausschreibungen über Trawlix günstiger abwickeln als in konventionellen Agenturen? Natürlich müssen wir unter dem Strich günstiger sein. Sonst hätten wir auf dem Markt überhaupt keine Chance. Aber gleichzeitig dürfen wir keine Dumpingplattform werden. Das ist natürlich eine Gratwanderung.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Screenshot von Trawlix Der Name "Trawlix" deutet auf eine Verbindung zur Fischerei hin? Genau. Trawler sind Hochseekutter, die ihre Netze mit Kran-Armen auf offenem Meer ausfahren. Unsere Bildmarke geht dagegen auf ein gotisches Symbol zurück: Im Mittelalter gab es ja Handwerkergilden – und die haben sich immer sehr stark für das Talent von Einzelnen eingesetzt. Das wollen wir aufgreifen: Trawlix soll wie eine solche Gilde rüberkommen. Wie passt das zusammen? In einem Schleppnetz kommt es auf den Einzelnen doch eher weniger an. Und wer einmal drin hängt, kommt nicht wieder raus. An dieser Stelle hinkt die Metapher vielleicht ein bisschen. Uns ist daran gelegen, Talente zu finden. Aber anders als bei der Hochseefischerei versuchen wir so fair wie möglich zu sein und jedem die gleiche Chance zu geben. Was passiert auf Trawlix mit den Ideen, die nicht ausgewählt werden? Werden die auch über Bord geworfen? Oder besteht im Gegenteil die Gefahr, dass sie unbezahlt trotzdem verwendet werden? Es gibt einen Unterschied zwischen dem Wettbewerb und der weiteren Nutzung der eingereichten Exponate: Für den Wettbewerb übernehmen wir in der Regel die Nutzungsrechte – um das auf der Plattform oder vielleicht in den Räumen des Kunden ausstellen zu dürfen. Wenn ein Exponat dem Kunden so gut gefällt, dass er es weiter nutzen möchte, dann muss neu verhandelt werden. Denn dann ist auch ein neues Nutzungsentgelt erforderlich. Es kann also nicht vorkommen, dass ein Unternehmen eine Imagekampagne ausschreibt, dafür ein paar hundert Euro auslobt und dann mit einem Sack voller guter Ideen verschwindet? Nein. Uns wird oft vorgeworfen, wir seien eine Abzockerplattform und dienten nur dazu, günstig an Ideen ranzukommen, die mit unbegrenzten Rechten sofort genutzt werden können. Aber das ist nicht so: Wir setzen uns schon dafür ein, dass das alles richtig und fair gehandhabt wird. Wenn die Entwicklung eines Logos nur noch mit 200 Euro entlohnt wird, dann ist das keine angemessene Bezahlung für den kreativen Prozess. Da würde ich nicht mitmachen. Auf Ihrer Seite steht, die Unternehmen bestimmen die Höhe des Wettbewerbspreisgeldes? Das ist schon richtig. Aber wir sprechen da natürlich Empfehlungen aus – und Preisgelder für den ersten Platz, die im dreistelligen Bereich liegen, sind für uns uninteressant. Das würden wir dann auch ungern machen. Es sei denn, der Umfang der Aufgabenstellung ist entsprechend klein.


An welche User richtet sich Trawlix? Ursprünglich wollten wir die Zielgruppe ziemlich weit öffnen. Aber für die etablierten Leute in der Kreativszene ist unser Konzept gar nicht so wahnsinnig spannend. Die haben alle längst ihre Jobs, arbeiten lange mit ihren Kunden, für die ist es natürlich auch monetär nicht so interessant. Deshalb konzentrieren wir uns jetzt auf das universitäre Umfeld und Berufseinsteiger, die ein bis zwei Jahre im Geschäft sind. Diese Leute sind unverbraucht, die haben noch Lust, sich an einer Marke zu beweisen. Das ist auch aus Sicht unserer Kunden interessant: Wenn jemand schon sechs, sieben Jahre in einer Agentur und am Kunden gearbeitet hat, entsteht leicht ein Tunnelblick und eine Schere im Kopf. Jemand, der gerade noch studiert, geht ganz anders an ein Thema ran.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Michael Radermacher Das heißt, jeder darf mitmachen? Die Plattform ist nicht für alle geöffnet. Wir haben nicht unbedingt das Ziel, die größte Kreativ-Community im Netz zu werden – das Prinzip „Klasse statt Masse“ ist uns sehr wichtig. Wir sprechen selbst Einladungen aus und bemühen uns, an die richtigen Universitäten und die richtigen Professoren ranzukommen. Man kann sich auch mit einem Motivationsschreiben bewerben und auf eine Warteliste setzen lassen. Aber auch User, die selbst schon bei Trawlix angemeldet sind, können neue User einladen. Ganz wasserdicht ist das also nicht. Aber wir legen schon Wert darauf, kein Crowdsourcing zu machen. Auf Ihrer Seite nennt Alex, ein 27-jähriger Kommunikationsdesigner, Trawlix eine interessante Alternative zu seinen ersten Agenturjobs, weil er hier ohne Druck an Projekte herangehen könne. In eine Agentur komme ich vielleicht über ein Praktikum rein, bekomme dann aber sehr lange nur Teilaufgaben und designe irgendwelche Buttons. Die Leute können aber oft schon viel mehr, als ihnen abverlangt wird. Bei uns können sie gleich an eine ganze Aufgabe rangehen. Sie halten nichts davon, sich langsam an größere Projekte heranzutasten? Kann das nicht auch einen Nutzen haben? Ich sage ja nicht, dass es immer so laufen muss. Aber wenn Leute frühzeitig auch mal etwas Ernsthaftes machen, kann das auch einen Nutzen haben. Für meine Begriffe sind Agenturen auch ein bisschen zu hierarchisch aufgebaut – es dauert zu lange, bis man sich auf ein entsprechendes Level hochgearbeitet hat. Klar, Erfahrung ist auch ein ganz wichtiger Punkt und durch nichts zu ersetzen. Aber die Leute sind eben handwerklich oft schon sehr gut, warum sollte man damit nicht einfach mal experimentieren und sehen, was dabei herauskommt? Ohne den Druck, den ich in der Agentur habe. Ohne Druck? Bei uns sind die User noch ein Stück weit unter Welpenschutz: Wenn ein Entwurf mal danebengeht, ist es nicht so, dass der Kunde gleich draufhaut. Hier hat alles einen experimentellen Touch. Allerdings erfährt man das auf andere Weise direkt. Indem man nichts gewinnt. Ja. Das ist dann halt so. Aber dann ist es eben eine gute Erfahrung gewesen. Würden Ihnen ihre User darin zustimmen, dass sie ohne Druck experimentieren können? Was haben sie denn zu verlieren? Auch Kreative müssen ihre Miete bezahlen. Naja, im universitären Umfeld ist das meistens geregelt. Vielleicht ist es aber sinnvoller, sich bei Trawlix auf eine Ausschreibung zu konzentrieren als in der Kneipe zu arbeiten. (denkt nach) Klar, ganz ohne Druck geht es nie. Aber ich denke, dass in diesem Fall die Chance noch eher ausschlaggebend ist als der monetäre Reiz. Immerhin kann ein junger Kreativer an Projekten mitarbeiten, an die er sonst nicht so ohne weiteres rankäme.

Text: florian-zinnecker - Foto: privat

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