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Die Berlinkolumne. Heute: Schönehof, Tempel und Tegelfeld.

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Am Ende ist es dann doch ein bisschen schade. Tempelhof, neben London City der wohl zentralste Flughafen des alten Euroas, hat dichtgemacht, und zwar einigermaßen endgültig. Alles ging recht unspektakulär zu Ende. Ein paar Flugzeuge landeten, die Popformation Bloc Party spielte ein trotz Gästelisten- und Exklusivitätshalligallis allenfalls mäßig besuchtes Konzert und irgendwann sperrte irgendjemand zu. Ein paar Leute machten Fotos von übrig gebliebenen Gepäcktrolleys, andere legten üppige Blumenbouquets nieder, lokale Wurstbudenbesitzer bedauerten und Taxifahrer begrüßten die Situation. Denn jetzt muss man weiter weg, will man weiter weg. Trotzdem, und das ist genauso bemerkenswert wie diese ohnehin etwas hysterische Festklammerung an Tempelhof, bleibt Berlin mindestens noch drei Jahre lang die einzige deutsche Stadt mit zwei ernstzunehmenden Flughäfen. Entweder man startet von Tegel aus, tief im Westberliner Kernland gelegen und vor allem Hoheitsgebiet der Lufthansa. Vermutlich wurde hier Eberhard Diepgen, so eine Art lokale und etwas dünnere Ausgabe Helmut Kohls, geboren. Die zweite Variante: Schönefeld, vornehmlich Heimstätte der Billigheimer und idyllisch im Landkreis Dahme-Spreewald angesiedelt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tegel ist ein Traum von einem Flughafen. Halbwegs rasch erreichbar und in Sachen Optik und Haptik zumindest in seinem aus schwerem Beton bestehenden ursprünglichen und streng geometrisch gehaltenen Bereich eigentümlich attraktiv. Die Eventisierung des Flugverkehrs, die findet in Tegel noch nicht statt. Hier kommt man nicht her, um eine neue Sonnenbrille zu kaufen oder sonstiges zu erleben, sondern um einzuchecken, und zwar möglichst sofort. Wer das getan hat, wird auch nicht mit einem luxuriösen Shopping- und Gastro-Bereich hinter der Security-Kontrolle belohnt, sondern mit einem eher reduziertem Warteraum, in dem immerhin ein Getränkeautomat und ein Ständer mit Tageszeitungen steht. Wer essen will, soll das besser mal vorher tun: "Red Baron" heißt die mit Blick zwar nicht aufs Flugfeld, aber immerhin auf den Eingangsbereich im Oberdeck des Airports errichtete Speerspitze der Flugzeug-Gastronomie. Der Kaffee ist nicht so superlecker, das Essen viel zu teuer. Dafür hängen über den Tischen Lampen, die wie Propeller aussehen, an der Decke ein Flugzeugmodell und hinter dem Bezahltresen eine große Plastiktafel, auf der allerhand Halbprominenz unterscheiben durfte. Junge Leute, die mal wissen wollen, wie das in den 80ern jetzt so war, sollten ruhig ein bisschen hier herumhängen. Schönefeld dagegen ist ein Sorgenkind auf vielerlei Gebieten. Der eigentlich so feierliche Akt des Reisens, der wird hier endgültig zu so einer Art Übersprungshandlung für die finanziell nur mittelmäßig ausgestatte Internetgesellschaft. An allen Enden plärrt es einen an, das Orange von easyjet. Istanbul, Marsch marsch! Ab zum Sonnebaden nach Ibiza! Powershopping und Beatlesandenken in Liverpool, hophop! Der niedrige Ticketpreis relativiert sich durch einige Unannehmlichkeiten, die mit Geld nicht aufzuwiegen sind. Erst einmal ist da das wirklich penetrant unerfreuliche Äußere des Airports: Im Prinzip ist der Flughafen Schönefeld nicht viel mehr als eine klamme XXL-Wellblechhütte am Rande der Stadt. Dann sind da die langen Wege. Der durchweg triste S-Bahnhof wurde im gesunden Sicherheitsabstand von etwa 800 Metern errichtet, vermutlich für den Fall, dass der Flughafen irgendwann zur Vernunft kommt und sich heimlich selbst auflöst. Bis man in einem der zugigen Warteräume ist, irrt man Stunden durch Gänge, die ziemlich genau so aussehen wie jene, in denen Kurt Russell zu Beginn des nicht oft genug zu erwähnenden Superfilms "Die Klapperschlange" umherlaufen muss. Vor allem die Flure zu den Terminals 56 bis 65 sind von einer dermaßenen Trostlosigkeit, dass die im Film angebotene Option, statt einer lebenslangen Gefängnisstrafe den sofortigen und völlig schmerzfreien Exitus zu wählen, vermutlich auch von einem guten Teil der Pauschaltouristen als reizvolle Alternative zum Badeurlaub in Anspruch genommen werden würde. Und: Statt des "Red Baron" mit seiner Promi-Tafel gibt's Burger King und Marché. Kurz gesagt: Schönefeld besitzt den Charme einer Autobahnraststätte, nur muss man fürs Parken Geld bezahlen. Tegel gewinnt also - und macht bald zu, wobei das Wort "bald" relativ zu sehen ist. Neusten Planungen zu Folge soll der größtenteils noch zu errichtende Superflughafen Berlin Brandenburg International 2011 seine Pforten öffnen. Dann erwartet den Reisenden auf dem Schönefelder Gebiet vermutlich ein lichtdurchfluteter Feng-Shui-Glaspalast, der von Robotern gereinigt werden wird und nebenher auch noch Kinokomplex, Shoppingcenter, Wellnessoase und, äh, Späti beherbergt. Allerdings neigen ja Planungen dazu, nur auf dem Papier zu funktionieren. Irgendein Architekt wird ausschlafen wollen, irgendein Baustoffhandel nicht rechtzeitig liefern, irgendetwas neu ausgeschrieben werden müssen und schon ist's 2045 oder so. Ich klatsche in die Hände, schreie laut "Jaha" und freue mich für mein geliebtes Tegel. Note to myself: Unbedingt nächste Woche nachschauen, ob irgendjemand Neues auf dieser Kunststofftafel unterschrieben hat. In der Zwischenzeit können die in Schönefeld ruhig weiter bauen, ab und an ein paar Bewohner aus den doof im Weg liegenden Ortschaften Diepensee und Selchow nach Königswusterhausen umsiedeln und darüber diskutieren, ob Schönefeld2.0 am Ende nach Marlene Dietrich, Albert Einstein, Gustav Stresemann oder einem Großsponsor benannt wird. Burger-King-Flughafen, hätte doch was.

Text: jochen-overbeck - Illustration: Katharina Bitzl

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