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Hier und jetzt oder lieber anderswo

Text: Raschka
Wir leben so gut wir können, in Hochhäusern zwischen Werbeschildern, schmutzigen grünen Wiesen und Hundezwingern, die eigentlich nichts mit unserem Leben zu tun haben müssten. Wir fahren auf Straßen, die an Orte führen, die wir nie gesehen haben. Wir lachen und weinen, und manchmal sieht einer aus dem Fenster und schweigt für einen Moment, weil das Leben doch eine schwerere Angelegenheit ist, als wir oft zugeben wollen.



Und inmitten dieses seltsam chaotischen Lebens gibt es dann Menschen, die alles genau so sehen, wie es von ihnen erwartet wird. Die folgsam und gehorsam sind und die Welt verstehen, die alles hinnehmen, Mensch sind von oben bis unten und dabei vergessen, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde als das, was man ihnen seit jeher als wahr verkauft hat. Sie leben und lieben nach Schablonen, immer gemäß dem Vorbild der Norm – es wird einem ja jeden Tag gezeigt, was man tun soll und wie man zu leben hat, damit man am Besten so wenig wie möglich auffällt. Für sie sind all die Werbeschilder und Hochhaussiedlungen gemacht, mit denen das Land gepflastert wird. Lernen und studieren, auch mal abends ausgehen und Spaß haben, aber nie zu viel, nie mehr Leben, als erlaubt ist! Nie aus der Reihe tanzen oder am Ende anfangen, mehr zu denken, als verlangt wird! Diät-Kochbücher und Tanzkurse, Sitcoms und Datingshows, Schuhe kaufen mit Freundinnen, jeden Sonntag die Eltern in der Vorstadt besuchen und sich nicht mit den falschen Leuten einlassen, die womöglich einen schlechten Einfluss auf die kleinen Geschwister haben könnten. Und man kann ihnen gar nichts vorwerfen, denn sie machen ja nichts falsch, niemals, im Gegenteil werden sie immer wohlwollend angeschaut und respektiert, weil nichts, was sie tun, in irgendeiner Weise seltsam oder unnatürlich wäre. Alles so, wie man es erwartet von guten, erfolgreichen Menschen. Nur so bringt man es zu etwas im Leben.



Und ich würde, trotz all meinem Neid und meiner Sehnsucht nach dem vermeintlichen Glück dieser Sorglosen, um nichts in der Welt meinen Egoismus, meine Depressionen, meine Wut, Verlorenheit und Angst und erst recht nicht mein ewig verfluchtes Anderssein dafür aufgeben, so zu sein wie sie.



"Jeder weiß, wie groß ihr seid

Und jeder weiß

Für das, was ihr da macht, kriegt ihr den ersten Preis

Ihr könnt alles verstehen, doch das Wichtigste habt ihr übersehen…"



(Zeitzeuge)

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