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Prost, Mahlzeit!

Text: virgina
Ich hab es getan. Es ging ganz schnell. Kein schlechter Text. Und wieder ein Druckfehler. Dann kam die Flut und ich sichtete. Der erste, gebunden, Arzt. Email-Adresse. Der folgende: Therapeut. Ich google den 67jährigen (!). Man ist ja nicht so. Dass er wie unser Führer heisst – dafür kann er nichts. Bild. Nein. Sean Connery? Und hier. Nett, einer aus Franken. An der Uni tätig. Ich spreche auf Band – bis Ostern verreist. Unerreichbar. Kinderschrift mit Schnörkeln. Manager mit cooler Visage, nicht schlecht. Geschäftlich im Ausland. Es wird nicht zurückgerufen. Kein zweiter Versuch. Ein staubtrockener, dünnlippiger Kollege aus Köln mit Fistelstimme. Wenn er mal in meiner Stadt ist. Gut, gut. Die Dietmars, Wolfhards, Gottfrieds, keine Peters? Es beginnt ein Botschaftswechsel mit dem verheirateten Herzspezialisten Walter. Nach ein paar Tagen versiegt die Lust am Wortspiel. Zu eindeutig auf Sex abzielende Inhalte und er meint mich doch gar nicht. Gemeinsame Freizeit ist nicht. Da geht er auf die Jagd (?). Dann kommen die Spießer-Paßbilder aus Österreich. Man könnte sich in Kufstein auf ein Glas Wein (!) treffen. Haben die noch alle? Zerreissen. Ein Akt-Foto vom Isar-Lederapfel. Den hab ich schon mal life gesehen im Tanga an der Isar. Er heißt wie mein Ex. Einen Beruf hat er nicht. Das Foto will er zurück. Immerhin, handgeschrieben. Unleserliche Handy-Nummer. Und dann dieser Kandidat. Bitte nicht. Eine Schweizer Telefonnummer. Ein Konterfei kann bei Interesse nachgereicht werden. Danke. Zwei sehnsüchtige Knastis, ich versteh es, das zensierte Gekritzel auf Umweltschutzpapier der betreut wohnenden Herren mit starken (tätowierten?) Armen. Kopierte Internet-Ausdrucke von Parship. Letzter Versuch. Geschwafel, zehn Buchtitel und die netten Hobbies wie Laubsägearbeiten. Ein Banker (?) vom Chiemsee. Wie kann man so ein Foto verschicken. Gerade aus dem Bett aufgestanden nach durchsoffener Nacht. Oh, Bütten aus Kreta. Am besten sind die Briefmarken. Ich befeuchte die kalligraphisch-exakte Handschrift. PC-Programm. Ein malender Aussteiger, der Kurse gibt über Olivenöl für EUR 1700 in seinem Gästezimmer (Prospekte beiliegend). Nur 14-tägig buchbar. Und der Gentleman im Plastikstuhl, C&A- Outfit, Experte für gepflegte Lebensart, Deichmann-Schuhe, der sich auf heiße erotische Nächte freut. Der letzte gibt sich kurz und bündig auf einer Postkarte: "Guter Sex? Tel.Nr."Was macht man da? Ein Feuer anzünden und laut schreien. An was liegt’s? Am Niveau der Zeitung? Falscher Zeitpunkt. Missverstandene Signale. Mein Kind hab ich gar nicht erwähnt. Interessiert auch keinen. Nein, Mädchen, so nicht. In Würde bleibe ich allein. Ich hab ja Euch. Zum Glück.

Anzeigen sind doch irgendwie scheiße. Die sich dadurch gefunden haben, gibt es aber doch. Aber Ihr braucht das ja noch nicht. War auch nur ein Experiment. Ich arbeite nämlich für eine bekannte Frauenzeitschrift. Mein jetziger, jüngerer Freund landete aus Versehen beinahe in meinem Einkaufswagen im Tengelmann, dabei riß er verschiedene Müsli-Schachteln aus dem Regal. Beim gemeinsamen Aufheben, stießen wir uns die Köpfe und lachten eine Minute Tränen. Danach gingen wir Kaffetrinken und sind seitdem ein Paar. So eines wie aus dem richtigen Leben.






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