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Vom Striptanz zur Oscarnominierung: Diablo Cody ist gerade gut

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Diablo Cody, wie haben Sie von Ihrer Oscar-Nominierung für das Drehbuch von „Juno“ erfahren? Cody: Ich war zu der Zeit mit einer Freundin in New York. An jenem Morgen war ich eigentlich viel zu müde, aber sie weckte mich: „Willst du nicht sehen, wer nominiert wird?“ Ich gähnte und dachte, ach, ich weiß nicht... Wir machten den Fernseher an. Als sie sagten, dass Jason Reitman als bester Regisseur nominiert sei, war das wirklich eine Überraschung, mit der vorher niemand gerechnet hatte. Ich wurde verrückt vor Freude, wälzte mich auf dem Boden und schrie so laut, dass ich meine eigene Nominierung verpasste. Als ich mich wieder beruhigt hatte meinte meine Freundin: „Sie haben gerade deinen Namen gesagt.“ Sie haben als Stripperin gearbeitet, von Ihrem Arbeitsalltag in einem Internet-Blog berichtet, einer Ihrer Leser war Produzent und schlug Ihnen vor, es doch mal mit einem Drehbuch zu versuchen. Eine Karriere, die sich kein Autor besser ausdenken könnte. Cody: Was die Geschichte so fantastisch macht, ist nicht so sehr die Strippersache, sondern, dass „Juno“ mein erstes Drehbuch ist. Es ist schon mal unwahrscheinlich, sein erstes Drehbuch überhaupt verkaufen zu können. Dass es dann auch noch von einem Regisseur wie Jason und einer Schauspielerin wie Ellen Page realisiert wurde, war auch ohne Oscar-Nominierung kaum zu fassen. Das alles bekommt mein Verstand noch immer nicht so nicht so recht in den Griff. Ich hatte verrückt viel Glück.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Cody: Ich habe Geschichten schon mein ganzes Leben lang erzählt. Ich wache jeden Tag auf und schreibe Geschichten, Essays oder Kritiken zu neuen Platten, die ich gerade gekauft habe. Ich liebe es einfach, zu schreiben. Wie sind Sie dann darauf gekommen, in Ihrem ersten Drehbuch von einer 16-jährigen Schwangeren zu erzählen? Cody: Ich wünschte, ich könnte sagen: Ich war schwanger mit 16, oder mir sind die steigenden Geburtenraten unter Minderjährigen aufgefallen. Aber so war es nicht. Ich habe mir einfach Gedanken über einen Menschen wie Juno gemacht und über ein Paar, das ein Kind adoptieren möchte. Darin habe ich einen Film gesehen und ihn dann geschrieben. Ich hatte das noch nie zuvor getan, hatte keinen Druck, war nicht in Hollywood. Woher wussten Sie, wie man ein Drehbuch schreibt? Cody: Ich habe eine Theorie: Jeder kann Drehbücher schreiben. Es ist wirklich nicht kompliziert. Wenn man genug Filme gesehen hat, fühlt man, wie Erzählstrukturen funktionieren. Jedes Kind kann dir eine Geschichte erzählen, die einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat. Das ist alles, worum es im Film geht. Ich fand es viel komplizierter, mein Buch „Candy Girl“ über meine Erfahrungen als Stripperin zu schreiben. Auch wenn der Stoff nicht sehr schwergewichtig scheint, wenn du Prosa schreibst ist alles darin Du selbst. Ein Drehbuch ist dagegen nur ein Skelett, das von anderen zum Leben erweckt wird. Haben Sie davon geträumt, nach Hollywood zu gehen? Cody: Nein. Ich hatte nie irgendwelche Ziele. Ich war nie eine ehrgeizige Person. Ich dachte immer, solange ich heute Spaß habe, ist das Leben in Ordnung. Warum ich tue, was ich tue, weiß ich eigentlich nie. (lacht) Gilt das auch für Ihren früheren Job als Stripperin? Cody: Ja. Ich bin einfach an einem Stripclub vorbeispaziert, blieb stehen und dachte: Ich schau mal rein, vielleicht haben die ja einen Job für mich. Es ist mir niemals vorher in den Sinn gekommen. Wie hat man in Hollywood auf diese Vergangenheit reagiert? Cody: Sehr gut. Im Gegensatz zu anderen Teilen der USA ist Hollywood ein sehr liberaler Ort. Da hält man meine Vergangenheit für unterhaltsam. Und mein Ruf half mir, denn niemand hat mich je versucht auszunutzen, weil alle denken, ich wäre besonders taff. Witzig, denn taff bin ich wirklich überhaupt nicht. „Juno“ ist allerdings zu einem Lieblingsfilm der christlichen Konservativen geworden, weil sich in ihm ein Teenager gegen die Abtreibung entscheidet. Gab es schon Versuche, Sie entsprechend als Aktivistin einzuspannen? Cody: Ich denke nicht, dass „Juno“ ein politischer Film ist. Das Interessante ist: ich bin auf einer katholischen Schule gewesen. Nachdem ich mein Buch über meine Erfahrungen als Stripperin veröffentlich hatte, waren sie entsetzt. Aber seit „Juno“ in den Kinos läuft, lieben sie mich. Sie schrieben mir eine Mail: Wir wollen Ihnen danken für diesen wunderbaren Film gegen die Abtreibung. Ich schrieb nur zurück: Ich bin weder für, noch gegen Abtreibung. Ich bin für das Recht der Frauen, sich frei zu entscheiden. Lasst mich in Ruhe! Dabei bietet „Juno“ in der unverkrampften Art, wie dort Sex und Schwangerschaft thematisiert sind, eine wunderbare Alternative zu George W. Bushs jüngster Kampagne für sexuelle Enthaltsamkeit. Cody: Ja? Von der wusste ich gar nichts. Mit finanziellen Anreizen sollen Kommunen belohnt werden, in denen Schüler nicht mehr aufgeklärt, sondern nur noch über Geschlechtskrankheiten informiert werden. Cody: Was Bush angeht, überrascht mich nichts. Ich würde mich nicht wundern, wenn ich nach Hause käme und es plötzlich eine Diktatur in den USA gäbe. Welcher Nachfolgekandidat wäre Ihr Favorit? Cody: Ich liebe Hillary Clinton, aber ich liebe auch Barack Obama. Jeder von beiden wäre mir recht. Hauptsache, es ändert sich etwas. Um Ihre eigene berufliche Zukunft müssen Sie sich wahrscheinlich weniger Gedanken machen. Cody: Ich bekomme viele Anrufe und neige leider dazu, „Ja“ zu allen zu sagen und dann muss mein Agent die Leute wieder anrufen und erklären, dass ich gar keine Zeit habe, auch noch den animierten Film mit dem Fuchs und dem Eisbären zu schreiben. Dabei liebe ich Eisbären und Füchse! Aber ich freue mich total, dass jetzt so viele Leute ein Interesse daran haben, mit mir zu arbeiten. Wie bereiten Sie sich auf die Oscar-Verleihung vor. Kümmern Sie sich um Termine im Schönheitssalon? Cody: Nein, denn ich hasse so etwas. Also hat das Filmstudio mir eine Stylistin besorgt, die mich anzieht und dafür sorgt, wie ich aussehe. Alles ist vorbereitet, ich muss nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Sehr seltsam. Haben Sie die anderen nominierten Filme gesehen? Cody: Zum Teil. Mein Favorit ist „There Will Be Blood“, von dem bin ich geradezu besessen. Meine Kategorie, die der besten Originaldrehbücher, ist allerdings besonders cool dieses Jahr, denn gleich drei Frauen sind nominiert worden. Ich liebe Nancy Oliver und Tamara Jenkins. Und weil es nicht sehr viele weibliche Autoren in Hollywood gibt, hocken wir ständig zusammen. Der Oscar für eine von uns wäre ein Erfolg für uns alle. Wir Frauen müssen immer noch sehen, dass wir uns gegenseitig unterstützen. Und wie laufen die Proben für Ihre Dankesrede? Cody: Gar nicht. Ich habe eine Theorie, wer gewinnen wird, und das bin nicht ich. Wie auch immer, es wird ein sehr emotionaler Abend werden. Allein die Tatsache, im Fernsehen zu sein, wird aus mir ein Nervenbündel machen.

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