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Asphaltträume/feuchter Elektro

Text: sokratine
Als ich das Haus verließ, regnete es in Strömen. Dicke, plumpe Tropfen klatschten dumpf auf den harten Schein, fielen mir direkt in die Augen und aus den Augen heraus. Es dauerte lange, bis ich merkte, dass der Regen nicht mehr allein war mit seinem Wasser.

Am Morgen zuvor hatte ich gelesen, dass eine Mutter mit ihrem Kind erschlagen wurde. Der Blitz. Ich patschte mit den Füßen durch das Wasser, während mir das Gefühl von ranziger Schuld in der Kehle saß, und stellte mir vor, wie es wäre, plötzlich von Volt und seinen Brüdern durchschossen zu werden. Zu zweit, ohne Zutun. In meinem Kopf klang plötzlich ein wunderbar kräftiges Lied aus einfachen Tasten. Ich lief, während meine Haare durchweichten, die Nässe meine Jacke durchdrang und mir entsetzlich kalt wurde.

Ich lief solange, bis das stechende Gefühl von keuchendem Husten die Schuld verschlang. Um mich herum schloss sich die Dunkelheit, im Schein der Lampe fiel der Regen in Wänden und Schleiern und wand und schleierte sich um mich. Es grollte fern. Mir grollte nah. Ein Blitz entzückte die Dunkelheit, blutrot und weißhell zugleich. Warum rennen Menschen hinaus in den Regen? Sehnen sie sich nach plötzlicher, romantischer Aufmerksamkeit? Denken sie, eine Kamera lugt aus dem bleichen, feuchten Efeu und dokumentiert ihr persönliches Drama? Warum sollte man denn laufen, wenn alles gut war? Wieso sollte man dem Regen Konkurrenz machen?

Nirgendwo ein Auto. Nirgendwo eine ruhige Seele hinter gedämpften Gardinen. Ich betrachtete den dampfenden Asphalt. Plötzlich sah er so einladend aus, glimmend dampfend von den Exzessen des Tages. Vage schritt ich voran, prüfte ungläubig meine Sympathie, legte mich nieder. Die Zivilisation war fern. Nur das Gewitter und ich tobten noch hier draußen. Wir wussten vielleicht nicht, wieso wir uns entluden. Warum wir über die Lande zogen, doch selbst so glücklich, doch Unheil bringend. Warum wir also ohne Sinn klagen. Das hier war keine Geschichte ohne Ende, keine mit einfacher Moral, keine, die sich mit einem feuchten Wimpernschlag erklären lässt. Es ist keine Parodie auf Phrasen. Es ist eine Liaison aus Erhellung und Donner. Bitte lasst mich reden, gegen eure Straßen, gegen euren zerrissenen Himmel. Damit ich weiß, dass darauf Sonnenschein folgt.


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