Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Party, Putzhilfe und viel Spaß: Betreutes Wohnen für Studenten in Leipzig

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Herr Selder, haben Sie mal in einer Wohngemeinschaft gewohnt? Nein, nie. Ich hab auch nicht studiert. Wie sind Sie dann auf die Idee gekommen, ganze Häuser an WGs zu vermieten? Ich habe vor zwei Jahren zwei Häuser in Connewitz gekauft. Vorderhaus und Hinterhaus, grottenschlecht saniert. Wir haben hinten angefangen, alles wieder rauszureißen. Dann meldete sich plötzlich jemand, der eine Wohnung selbst ausbauen wollte. Das war ein Pärchen, die erzählten mir von Superstyle und Szene und blah. So zum Selbstverwirklichen. Dann hat mir noch mein Verwalter erzählt, dass er ein paar unsanierte Häuser an Studenten vermietet hat. Da war mir dann plötzlich klar: Selbstausbau, Studenten, billig wohnen - das scheint hier irgendwie so'n Gag zu sein.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und wie kamen Sie dann auf die Idee für Betreutes Wohnen? Ein alter Freund, der inzwischen Professor ist, hat mir erzählt, was die Probleme in WGs sind: Der Kühlschrank wird leergefressen, und keiner füllt auf. Zwei räumen auf und putzen, zwei putzen nicht, und einer macht ein bisschen was. Und wenn dann abends Party ist, hat keiner was da. Wir dagegen bieten Service wie im Hotel: Es kümmert sich jemand darum, dass die Kühlschränke voll sind, um das Einkaufen, um die Wäsche und darum, dass die Gemeinschaftsräume sauber gemacht werden und die Bäder sauber sind. Und natürlich darum, dass der Partyraum gut bestückt ist. Frische Brötchen gibt's auch in der Früh. Und das kommt an? Wer interessiert sich denn für ihr Angebot? Brötchen wollen alle. Beim Rest ist das unterschiedlich. Ich dachte eigentlich, dass diejenigen mehr Betreuung wollen, die gerade von Zuhause ausgezogen sind. Die sind das schließlich so gewohnt. Es war aber genau anders herum: Die sehr jungen Leute wollen einfach frei sein, weg von der Mama, in die erste eigene Wohnung und dort keinen mehr sehen. Die Interessenten ab Mitte 20 sehen das Serviceangebot aber als eine nette Idee. Macht sowas nicht das WG-Leben kaputt? Im Gegenteil, man kann sich auf das Wichtige konzentrieren. Mir hat mal einer gesagt, das Wichtige sind Party und Frauen. Und alles andere muss irgendwie organisiert werden. Okay, dann gibt’s halt Party und Frauen, um alles andere kümmern wir uns. Party, Party, Party - und wenn das den einen oder anderen doch mal nervt? Wer da einzieht, dem ist bewusst, dass alle zwei Tage Rambazamba ist. Ich hab bei den WGs noch keinen gesehen, der abends um neun im Bett liegt. Die wollen das studentische Leben so richtig genießen. Trotzdem: Ist Betreutes Wohnen nicht eher etwas für alte Menschen? Ob man 18 oder 80 ist – grundsätzlich sind alle Menschen gleich. Ein Freund von mir bietet betreute Wohnungen für alte Leute an. Er hat mir erzählt, was er da so macht. Die Alten haben ihren Gemeinschaftsraum, unsere WGs ihren Partyraum. Den Einkaufsservice, den Putzservice – im Prinzip kann man das alles übernehmen, außer der medizinischen Betreuung natürlich. Dafür bieten wir Multimedia-Versorgung: Internet, Satelliten-Fernsehen und Telefon. Einen Korrekturservice für Hausarbeiten gibt es aber nicht? Nein, um Gottes willen. Wir hatten zwar an Anfang mal "Diplomarbeiten schreiben" auf der Angebots-Liste, aber das war nicht ganz ernst gemeint, da haben wir nur so rumgesponnen, was man alles machen könnte. Wer soll die ganzen Arbeiten, die in den WGs anfallen, eigentlich erledigen? Und wird das nicht unheimlich viel kosten? Da stellen wir jemanden ein. Eine Person Vollzeit – das reicht. Das kostet 1300 Euro im Monat, fünf Euro die Stunde plus Sozialversicherung. Bei 64 Zimmern ist das gerade mal ein Mehraufwand von 20 Euro im Monat pro Zimmer. Das ist für uns reiner Selbstkostenpreis. Unser Kerngeschäft ist das Vermieten von Wohnungen. Die Zimmer werden dann insgesamt etwa 240 bis 250 Euro im Monat kosten; für 16 bis 20 Quadratmeter. Selbst wenn es bezahlbar ist: Verführen Sie die jungen Mieter nicht zur Unselbstständigkeit? Naja, die Menschen werden bequemer. Unselbstständiger – das glaube ich nicht. Die müssen ja ihr Leben trotzdem selber führen. Und Sie? Können Sie sich vorstellen, in einer betreuten WG zu wohnen? Ich? Nee, da bin ich zu alt für. Und zu konservativ erzogen.

  • teilen
  • schließen