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Er studiert Informatik in Jena, doch ab dem Wochenende ist Jan Huwald auch Politiker. Der 21-Jährige ist einer der Aktiven, die am Samstag die so genannte Piratenpartei (rechts ihr provisorisches Logo) gründen wollen. Vorbereitet wurde das Treffen über ein Forum und ein Wiki auf der Webseite piratenpartei.de. In der so genannten Piratenbewegung sind Filesharer und Downloader organisiert, die ihre Interessen auch parlamentarisch vertreten sehen wollen. Die Bewegung nahm ihren Anfang in Schweden, dort kandidiert bei der Parlamentswahl Mitte September erstmals eine Piratenpartei.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Piraten haben eher ein negatives Image. Warum wollt ihr euch so nennen? Mit dem Namen wollen wir auf die Ungerechtigkeit hinweisen, dass Menschen als Räuber oder Piraten bezeichnet werden, nur weil sie Inhalte tauschen. Und natürlich wollen wir diese negative Konnotation des Begriffs umdrehen: Es ist ganz normal, dass Leute CDs brennen oder MP3s tauschen - das sind keine Raubkopierer. Könnten Filesharer und Downloader nicht in bestehende Parteien gehen? Wir sind keine Internet-Partei. Wir organisieren uns zwar übers Netz, aber wir haben nicht nur Ziele zugunsten von Internet-Nutzern. Wir konzentrieren uns auf das Recht auf Privatsphäre und auf das, was als Wissensgesellschaft bezeichnet wird, also auf die Freiheit von Wissen, Forschung und Bildung. Uns geht es zum Beispiel darum, dass Forschung, die vom Staat universitär betrieben wird, nicht kurz vor Abschluß in Firmen ausgegründet wird, die das Ganze dann für sich privat vermarkten – und so die Veröffentlichung verhindern. Wir wollen, dass dieses Wissen auch allen zugute kommt - zum Beispiel im Bereich der Medizin. Die bestehenden Parteien lassen sich zumeist klar als rechts oder links einordnen. Wo steht ihr? Wir passen in das klassische Schema nicht rein. Dadurch, dass wir für bestimmte Freiheiten eintreten, ziehen wir automatisch einige Linke an, aber genauso auch Liberale. Bei dem Vorbereitungstreffen für die Gründung herrschte zum Beispiel ein sehr liberaler Konsens. Wir sind klar der sozialen Marktwirtschaft und marktwirtschaftlichen Grundlagen verschrieben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das vorläufige Logo der Piratenpartei Was erwartest du dir von dem Treffen am Wochenende? Ich hoffe, dass wir die deutsche Piratenpartei gründen. Ich denke aber, das reicht nicht. Wir müssen jetzt auch schnell auf uns aufmerksam machen. Denn auch abseits von Wahlen gibt es eine Menge Entscheidungen, die in der nächsten Zeit getroffen werden, die für die Bevölkerung sehr wichtig sind. Was sind das für Entscheidungen? Ein ganz großes Problem sehe ich zum Beispiel in der so genannten Vorratsdatenspeicherung, die bis Anfang 2009 implementiert sein soll. Das kommt der Totalüberwachung des Internets gleich. Darüber sind die meisten Leute noch gar nicht informiert. Gleiches gilt für die Patentrichtlinie, da müssen wir jetzt drauf aufmerksam machen. Warum? Die gängige Praxis ist, dass häufig sehr triviale Dinge patentiert werden. Doch im Gegensatz zu mechanischen Patenten existieren im Softwarebereich oft gar keine Alternativen, das heißt durch Softwarepatente lassen sich Geschäftsmodelle so patentieren, dass jemand das Monopol hat, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben. Das kann nicht gut sein und behindert die Innovationskraft des Marktes. Es gibt Menschen, die eure Parteigründung mit der Umweltbewegung vergleichen. Ende der Siebziger Jahre hat sich das letzte Mal eine Ein-Themenpartei, eben mit dem Ziel Umweltschutz, gegründet. Durch diesen Vergleich mit den Grünen fühle ich mich in erster Linie geschmeichelt. Die hatten ja Erfolg und haben sogar den Außenminister gestellt. Wirst du irgendwann der Joschka Fischer der Piraten-Bewegung? Ich habe nie Steine geworfen. Aber der Vergleich ist interessant, weil ich - bevor ich mich mit der Piratenbewegung beschäftigt habe - sehr aktiv war im Bereich anonymes Browsen im Internet. Ich habe Software und Bandbreite zur Verfügung gestellt, damit andere Leute anonym surfen können. Das ist auch eine Art politischer Aktivismus, ziviler Ungehorsam. So wie die heutigen Peer-to-Peer-Netzwerke vielleicht auch eine Art der Demonstration sind, vergleichbar mit dem früheren Steineschmeißen auf der Straße. In diesem Sinne gibt es vielleicht eine Parallele. Aber darum geht es mir nicht. Ich muss nicht in den Bundestag, ich möchte nur, dass das, was ich wichtig finde, durchgesetzt wird. Politiker müssen in kurzen Statements ihrer Linie formulieren können. Was wäre dein Statement? Die etablierten Parteien schaffen durch Überwachung und durch Einschränkung von Verbreitungsrechten eine Atmosphäre, die gegen das steht, was die Bundesrepublik sein sollte: ein freiheitlicher Staat. Wir wollen auf allen Ebenen, die wir finden - im Patentrecht, im Urheberrecht und im Datenschutz - diese Freiheit wieder herstellen. Und dadurch die Wissensgesellschaft fördern. Euer kurzfristiges Ziel ist es, 2009 gemeinsam mit anderen Piratenparteien bei der Europawahl zu kandidieren. Das ist richtig. Auf EU-Ebene wird mittlerweile so vieles entschieden, was die lokalen Regierungen, und damit meine ich die Bundesebene, gar nicht mehr beeinflußen können. Deswegen müssen wir da unbedingt mitmischen. Allerdings warten wir im Moment alle die Wahl in Schweden ab. dirk-vongehlen.jetzt.de

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