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Mädchen, warum reißt ihr uns nicht auf?

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Liebe Mädchen,

Warum eigentlich nicht mal mit einer Forderung anfangen? Kommt mal aus dem Quark, ihr Hasen!

Weil, ist doch so: Nehmt eine beliebige Bar-, Club-, Einkaufsschlangen-, Park- oder Sonstwas-Szene, in der zwei einander unbekannte Menschen sich gegenseitig diesen so wunderbar kribbelnden Moment zu lang scannen. Und dann – so weit man das an dem Punkt eben sagen kann – gut finden. Wer macht dann den ersten Schritt, falls es einen gibt? Eben!

Ja, ja, schon klar: Wir bewegen uns da nicht im Kosmos „Naturgesetze“. Nicht auf dem Niveau von „Wasser fließt immer bergab“ oder „Spezi ist das beste Getränk der Welt“. Aber es gibt eine Schlagseite. 80/20 hätte ich spontan gesagt. Mag aber sein, dass es sich inzwischen auf 70/30 ausgependelt hat. Eindeutig ist es in jedem Fall noch. Sage ich. Ihr könnt da natürlich widersprechen.  

Und diese Schlagseite gibt es ja nicht nur beim ersten Schritt. Wenigstens in meiner Wahrnehmung sind es auch noch eher wir, die den Charme-Pegel etwas weiter in den Overdrive-Modus drehen müssen, um das Moped zu gewinnen. Die noch etwas größer agieren. Die – Achtung, grenzwertig besetztes Wort, aber mir fällt gerade kein besseres ein – „erobern“. „Aufreißen“ meinetwegen auch. 65/35 würde ich da sagen.  

Und das verstehe ich nicht. Oder halt: Verstehen, im Sinne von nachvollziehen, kann ich es wahrscheinlich schon. Aber ich halte es für falsch! Was nun meine Theorie zu dem Vorgang schon andeutet: Die Kiste ist für euch zu leicht. Ihr müsst euch keine Mühe geben und tut es deshalb auch nicht. ABER: Das erscheint mir arg passiv. Wenn ich jetzt eine moderne Frau mit Affinität zu Gleichberechtigung wäre, ich würde ja sagen: „Besetze ich aggressiv, diese Männerdomäne! Ich reiße auf, wen ich später verräume!“ Also sinngemäß jetzt.  

Glaube aber, dass ihr so nicht denkt. Also mehrheitlich jedenfalls. Geben tut’s das ja. Aber halt nicht so oft. Nicht so offensiv. Und deshalb frage ich mich natürlich: Warum? Wirklich aus Faulheit? Oder weil ihr fürchtet, dass irgendwer in den modrigen Keller steigt und das Wort „Schlampe“ da raustaucht? Historische Prägung? Generell weniger ausgeprägte Libido? Denkt ihr, wir wollen die Eroberer sein (wollen wir vielleicht manchmal ein ganz kleines bisschen, aber der Wille ist auch schnell gebrochen ...)?  

Oder sagt ihr: „Halt endlich mal deine mit dummen Klischees angefüllte Fresse, Elias! Wir reißen ja alle Typen auf, auf die wir Bock haben. Nur dich säftelnden Molch eben nicht!“ Und bitte ...:

Mädchen
Illustration: Dirk Schmidt

Liebe Jungs,

 

ich beginne diese Antwort jetzt mal mit Verweis auf einen anderen Text – aber bevor du säftelnder Molch dich beschwerst, damit würde ich es mir zu einfach machen – kommt ja noch mehr Input.

 

Der Text stand im Sommer dieses emanziperten Jahres 2015 in der Rubrik „Ask Eugene“, eine Art erwachsener Dr. Sommer von der Webseite „OZY“. Und darin beschreibt die Fragestellerin namens „Kat“ folgende Szene: Sie will, nachdem sie jahrelang das Klischeebild „Frau ist passiv, Mann hat die Arbeit“ bedient hat, raus aus ihrer Rolle. Sie nimmt ihren ganzen Mut zusammen, geht in eine Bar und als ein Typ, der ihr gefällt, sie dort beflirtet, kommt sie direkt zur Sache: Sie fragt ihn, ob sie nicht irgendwo hingehen wollen, um Sex zu haben. Was macht wohl der Typ? Richtig! Er reagiert entsetzt und haut ab.

 

Nach eigenen Angaben versucht sie die Nummer noch acht Mal an diesem Abend, aber nur einer sagt ja. Die anderen nennen sie eine Schlampe, verrückt und manchmal auch „verrückte Schlampe.“ Ihre, nun ja sehr berechtigte Frage an den OZY-Sex-Guru: Was ist da eigentlich los mit euch, Männer? Die Antwort von Eugene finde ich ein bisschen dämlich. Er antwortet, kurzgefasst, dass ihr dominantes Auftreten die Typen unter Druck gesetzt habe, hätte sie vorgeschlagen, dem Typen einen zu blasen, sei die Erfolgsquote sicher höher gewesen.

 

Ich kann dieser Argumentation nicht folgen. Was wir Mädchen aus dieser Geschichte allerdings ablesen können, wenn wir denn wollen: Ihr Jungs habt immer noch Angst vor uns, wenn wir zu dominant werden. Das sollte natürlich eine heutzutage völlig überholte Erkenntnis sein, gegen die wir mit aller Macht ankämpfen. Ist es aber nicht. Weil diese Erkenntnis superbequem für uns ist. Denn eigentlich hast du natürlich recht: Emanzipation sollte auch bedeuten, dass Frauen Typen aufreißen. Dass man an die Bar geht und sich holt, was man will. Aber diese immer noch existenten  Horrorstories aus dritter Hand halten viele von uns davon ab.

 

Dabei haben wir das im Zweifelsfall nie selbst erlebt. Aber der Reflex ist: Wir wollen nicht beschimpft werden, also lassen wir das mit dem aggressiven Aufreißen lieber sein. Gibt ja auch noch eine ganz gute dritte Variante, sie heißt "flirten" und liegt irgendwo zwischen aufreißen und passiv sein. Man kann euch ja auch antanzen, anlächeln oder so oft mit Riesenaugenaufschlag an euch vorbeigehen, bis ihr reagiert.

 

Das Problem dabei: es funktioniert. Wenn wir nur lang genug warten, kommt schon jemand von euch auf uns zu. Vielleicht nicht die erste Wahl, aber läuft schon. Warum raus ins Restaurant gehen, wenn der Lieferservice zu einem bis an die Tür kommt?

 

Was wäre nun also die Lösung? Ich glaube, sie hat mit uns beiden zu tun. Wir müssen risikobereiter werden. Uns nicht darauf ausruhen, dass ihr es schon richten werdet. Das tun wir im Job, bei der Familienplanung oder der Frage, wohin der nächste Urlaub geht, ja auch nicht. Warum also beim Baggern?

 

Und ihr, ihr müsst auch was tun. Lasst uns kommen. Aber gebt uns dann bitte ein Erfolgserlebnis. Sonst wird das wieder nur eine weitere Horrorstory, die Mädchen sich über fehlgeschlagene Baggerversuche in Bars erzählen.

 

 

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