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E wie Engelmann-Peak

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Auftritt

Klar: Auf der Bühne zu stehen, ist für jeden Poetry Slammer das Wichtigste. Er oder sie geht da raus, trägt einen selbstgeschriebenen Text vor und stellt sich der Wertung des Publikums (→ Jury). So ein Auftritt ist oft sehr kurz, da es ein Zeitlimit gibt (→ Regeln) – unter Umständen reist ein Slammer also acht Stunden von Freiburg nach Kiel (→ Zug), um fünf Minuten aufzutreten.

Beruf

Gerne und oft an Slammer gestellte Frage: „Kann man davon leben?“ Die Antwort lautet: jein. Für Auftritte bei Poetry Slams gibt es oft gar keine oder nur eine kleine Gage, den Teilnehmern von außerhalb werden die Fahrtkosten und eine Übernachtung gezahlt (oder sie werden privat untergebracht). Viele machen sich aber einen Namen als Solo-Künstler, Comedians, Kabarettisten, Musiker oder Buchautoren – die Karrieren, für die Slam ein Sprungbrett sein kann, sind vielfältig. Wurzeln im Slam haben zum Beispiel Marc-Uwe Kling, Nora Gomringer, Julius Fischer, Sebastian 23 und Fiva.

Champion

Gibt es am Ende jedes Poetry Slams – egal, ob er im örtlichen Gymnasium vor den Eltern der Teilnehmer oder in der o2-Arena in Hamburg stattfindet. Der Sieger bekommt Ruhm, Ehre und Schnaps oder einen Büchergutschein. Bei den [link=http://www.slam2014.de/" target="_blank">deutschsprachigen Meisterschaften fällt der Preis etwas größer aus. Im vergangenen Jahr reiste der Sieger zum Beispiel in die USA, das Ursprungsland des Poetry Slams (→ Papi → Ursprünge).

Duktus

Slammern wird gerne vorgeworfen, sie klängen „alle gleich“. Das stimmt natürlich nicht – aber man kann auch nicht leugnen, dass es einen bestimmten Slam-Duktus gibt, den viele, vor allem frei vortragende Slammer und diese vor allem bei lyrischen, ernsten Texten pflegen. Ein berühmtes Beispiel: Julia Engelmann (→ Engelmann-Peak).

Engelmann-Peak

Durch die Schauspielerin und Slammerin Julia Engelmann Anfang 2014 verursachtes Aufmerksamkeits-Hoch für Poetry Slams, das sich auch in den Zuschauerzahlen der Veranstaltungen niederschlug. Im Mai 2013 trug Engelmann beim Bielefelder „Hörsaal-Slam“ ihren Text „One Day / Reckoning Text“ vor. Aus einem bis heute unbekannten Grund ging das → YouTube-Video des Auftritts fast ein Jahr später auf einmal viral und hat mittlerweile mehr als sieben Millionen Views.

FK Interslam 09

Die offizielle Fußballmannschaft der Slam-Szene, die jedes Jahr im Rahmen der deutschsprachigen Meisterschaften gegen ein ausgewähltes Team antritt. Gegner in diesem Jahr: die Damen-Regionalliga-Mannschaft 1. FFC Fortuna Dresden. Deren Vorteil: regelmäßige Spielpraxis. Vorteil des FK Inter Slam: kreative Schmähgesänge.

Genre

Solange man sich an die → Regeln hält, darf man alles machen, was man möchte: Lyrik, Prosa, Hip-Hop, Ein-Mann-Theaterstücke, Mehr-Mann-Theaterstücke (→ Team) oder irgendwas, was bisher noch nicht erfunden wurde.

"Heavy Metal!"

Ausruf von Slammern im Publikum, wenn der oder die Vortragende auf der Bühne einen Texthänger hat. Sorgt für Zwischenapplaus und Jubel statt peinlichem Schweigen, hält das Publikum bei Laune und hilft dabei, Gedächtnislücken zu schließen.

Irrtümer, beliebte

Poetry Slams sind immer lustig. Poetry Slams sind fair (→ Jury → Losglück). Ein auf einem Poetry Slam vorgetragener Text heißt "Slam".

Jury

Sieger und Verlierer eines Slams werden von einer Publikums-Jury bestimmt. Das Bewertungssystem ist allerdings von Veranstaltung zu Veranstaltung verschieden. Mal werden zufällig zehn Personen ausgewählt, die mithilfe von Jury-Tafeln nach jedem Vortrag Punkte von 1 bis 10 vergeben, mal wird per Applauslautstärke abgestimmt, mal hat jeder im Publikum eine Stimme, die zum Beispiel durch Handzeichen, das Hochhalten eines brennenden Feuerzeugs oder einen auf einen Stab gesteckten Dichtungsring abgegeben wird.

kollektiver Orgasmus

Bei einer Bewertung der Slammer durch → Jury-Tafeln wird das Punkte-Spektrum (angelehnt an die Worte des  amerikanischen Slammers und Slam-Veranstalters Bob Holman) vom → Slam-Master gerne so erklärt: "Eine Null für einen Text, der nie hätte geschrieben werden dürfen. Eine Zehn für einen Text, der einen kollektiven Orgasmus im Publikum auslöst."

Losglück

Die Auftritts-Reihenfolge bei einem Slam wird gelost. Weil der Wettbewerb über mehrere Runden geht (mindestens Vorrunde und Finale, oft auch mit Halbfinale), die Bewertung der → Jury meist unmittelbar nach jedem Text erfolgt und sie erfahrungsgemäß höher ausfällt, je später der Abend ist (wegen der Stimmungskurve und wegen Bier), hat man am wenigsten Chancen die Vorrunde zu überstehen, wenn man auf einem der vorderen Startplätze landet. Slammer-Erzählungen von Niederlagen beginnen darum oft mit dem Satz "Ich wurde auf Startplatz 1 gelost....". Teils wird versucht, dem Faktor des Losglücks mit einem → Opferlamm entgegenzuwirken.

 

Motzerei

Poetry Slam wird geliebt – und gehasst. In den Feuilletons und bei den Literaten des Landes kommt er oft schlecht weg. Beliebte Punkte: Die literarische Qualität lasse zu wünschen übrig; zu viel flacher Humor, zu wenig Anspruch; die Texte klängen alle gleich (→ Duktus); aus der einstigen Subkultur sei eine brave, gefallsüchtige Mainstream-Veranstaltung geworden.

 

Auf der nächsten Seite: von N wie "Nachwuchs" bis Z wie "Zug".

 

Nachwuchs

Seit einigen Jahren wird der Poetry-Slam-Nachwuchs stark gefördert, es gibt Workshops an Schulen und in Kulturzentren und eigene Veranstaltungen für Teilnehmer, die jünger sind als 20 Jahre. Mittlerweile finden sogar separate U20-Slam-Meisterschaften für Nachwuchs-Slammer und -Slammerinnen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum statt, die in diesem Jahr in Berlin ausgetragen wurden.

 

Opferlamm

Slammer oder Slammerin, der oder die vor dem Beginn des eigentlichen Slams außer Konkurrenz antritt, damit die → Jury eine Eichwertung abgeben kann, an der sie sich für den Rest der Veranstaltung orientieren soll. Wie gesagt: soll. Macht sie natürlich nicht immer (→ Losglück).

 

Papi

oder "Slam-Papi". Liebevolle Bezeichnung für den Erfinder des Poetry Slams, den Dichter Marc Kelly Smith aus Chicago (→ Ursprünge).

 

Qualifikation

Das ursprüngliche Veranstaltungskonzept sieht vor, dass jeder mitmachen kann, der mitmachen will. Darum hat man auf Slam-Bühnen schon die erstaunlichsten Auftritte gesehen und Texte gehört – von unfassbar gut bis grottenschlecht. Viele, vor allem größere und etablierte Veranstaltungen laufen aber mittlerweile zum großen Teil oder sogar ganz über Einladungen. Dann kann nur auftreten, wen der Veranstalter ausgewählt hat. Und für die deutschsprachigen Meisterschaften muss man sich über einen regelmäßig stattfindenden Slam oder eine Landesmeisterschaft qualifizieren.

 

Regeln

Sind simpel, aber unbedingt einzuhalten: selbstgeschriebene Texte, kein Gesang (nur als Zitat), keine Requisite (Textblätter oder Bücher sind erlaubt), keine Verkleidung, Zeitlimit (meist zwischen fünf und sieben Minuten).

 

Slam-Master

Veranstalter und/oder Moderator eines Poetry Slams. Alle Slam-Master treffen sich ein Mal im Jahr im Rahmen der deutschsprachigen Meisterschaften, um über verschiedene, die Slam-Szene betreffende Themen zu sprechen und darüber abzustimmen, wo die nächsten Meisterschaften stattfinden sollen.

 

Teams

Wenn mindestens zwei sich zusammentun, können sie als Slam-Team auftreten. Die Kategorie "Team" ist auch fester (und beliebter!) Bestandteil der jährlichen deutschsprachigen Meisterschaften. Vorteil im Team: mehr Performance-Möglichkeiten. Nachteil im Team: mehr Arbeit.

 

Ursprünge

Erfinder Marc Kelly Smith (→ Papi) gründete 1986 den ersten Poetry Slam der Welt in der Chicagoer "Get Me High Lounge". Von dort zog er bald in den Jazz-Club "Green Mill" um, der heute als Wiege des Slams gilt. Der erste Slam Deutschlands fand in Berlin statt, es folgten München, Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg. 1997 fanden die ersten deutschsprachigen Meisterschaften statt. → Champion wurde damals der Berliner Slammer Bas Böttcher.

 

Varianten

Man muss ja nicht immer nur Leute ihre selbst geschriebenen Texte vortragen lassen. Darum gibt es zum Beispiel Dead or Alive Slams (Poetry Slammer vs. Schauspieler, die Texte berühmter, bereits verstorbener Autoren performen), Science Slams (Wissenschaftler treten mit Power-Point-Präsentationen zu ihrem Spezialthema gegeneinander an), Song Slams (Liedermacher vs. andere Liedermacher), Jazz Poetry Slams (Poetry Slam mit Jazz-Band-Begleitung), Hate Poetry Slams (Journalisten lesen fiese Leserbriefe vor), Box Slams (Slam im Boxring, Verkleidung erlaubt) und viele andere Spielarten – Hauptsache, das Publikum ist die → Jury und am Ende gibt es einen → Champion.

 

Wachstumsrate

Extrem hoch! In den vergangenen zwanzig Jahren sind allein in Deutschland mehr als 250 Poetry Slams entstanden. Auf myslam.net gibt es eine (nicht vollständige) Karte,auf der deutsche Slams verzeichnet sind.

 

Xóchil A. Schütz

Bekannte deutsche Poetry Slammerin, die das Glück hat, einen Namen mit X zu tragen und so einen eigenen Platz in diesem ABC zu bekommen.

 

YouTube

Vielleicht (und aus Versehen) die größte Poetry-Slam-Plattform des Internets. Es gibt dort unzählige Videos von verschiedensten Auftritten, mal professionell aufgenommen, mal mit der Handykamera mitgeschnitten. Texte können so zu Hits werden wie einzelne Songs (→ Engelmann-Peak) und Slammer hören nach einem Auftritt oft den Satz "Ich kenn' dich von YouTube!" Aber auch in anderen Medien gibt es Poetry Slams, weil sich alle gerne mit etwas schmücken, das im besten Falle "Literatur" und "Jugend" vereint. Slams gab es daher schon auf SWR 2, im WDR, auf Sat1 Comedy oder ZDF Kultur.

 

Zug

Hauptverkehrsmittel der meisten aktiven Slammer. Neben vielen Siegen und vielen Einladungen zu Slams ist der Bahn-Comfort-Status (den man erreicht, wenn man (mit Bahn Card!) für mehr als 2000 Euro im Jahr mit der Bahn führt) ein wichtiges Indiz für den Erfolg (oder zumindest die Umtriebigkeit) eines Slammers.

 

Die 18. deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften finden dieses Jahr in Dresden statt - Startschuss ist am Dienstagabend mit der Eröffnungsgala, das Einzelfinale wird am Freitag, 31.10., im Alten Schlachthof ausgetragen, das Team-Finale am Samstag, 1.11., im Schauspielhaus.

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