Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Urlaubsplaner vs. Spontanreisende

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Hund und Katz, Noel und Liam, Anwohner und Barbesucher: klar. Die hassen einander von Berufs wegen. Aber es gibt schönere, subtilere Feindschaften. Denen widmen wir die Serie "Alltagsduell". Hier findest du alle Folgen.

Die Situation:  

Wer fünf Monate im Voraus einen Flug nach Bangkok bucht, zahlt nur einen Schnäppchenpreis. Der Reiseplaner weiß das. Mit Hilfe des neuesten Lonely Planets legt er gleich die Reiseroute für die ersten anderthalb Wochen fest. Die Übernachtungen in Hostels (natürlich nur in denen mit guter Bewertung) hat er online gleich günstig dazu gebucht - super, alles save! Die restlichen anderthalb Wochen will er dann anhand von Empfehlungen der anderen Backpacker im Hostel planen, gleich nach Ankunft, damit man auch sicher ein Zimmer in den jeweiligen Orten bekommt - und dank Smartphone ist das ja auch in Bangkok echt easy.
 

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Beide wollen nur eines - Urlaub machen. Doch wenn der Spontanreisende auf den Urlaubsplaner trifft, gibt's Spannungen.

Der Spontane hat hingegen gerade die letzte Prüfung geschrieben, jetzt sind Semesterferien! Sechs Wochen Zeit. Was tun? Asien wäre mal was, nur die Flüge sind so kurzfristig ziemlich teuer. Egal, da muss Oma den Geburtstagsbonus dieses Jahr eben schon mal früher rausrücken. Zwei Tage später geht’s los, nach fast 24 Stunden Reisezeit (nur die Flüge mit Zwischenstopps waren noch halbwegs bezahlbar) rinnt der Schweiß und das Hostel, vor dem der Taxifahrer anhält, kommt dem Spontanen sehr gelegen. Glück muss man haben! Ein Bett ist noch frei und sauber ist es auch. Vielleicht hat der Typ im Bett nebenan ja einen Plan, wo man hier am besten was zu essen bekommt und was man generell in Thailand so gesehen haben sollte...

Nach dem dritten Bier beschließen sie, ab morgen gemeinsam weiterzureisen. Der Typ scheint einen krassen Reiseplan zu haben, aber das stresst den Spontanreisenden nicht. “Ich will morgen erstmal ausschlafen. Dann können wir ja sehen, wie es weitergeht…” Dass der Planer schon ein Busticket gekauft und ein Hotelzimmer gebucht hat, kommt dank der Reise-Euphorie gar nicht beim Spontanen an.

Dort treffen sie aufeinander:

In überfüllten Hostelzimmern, der Hostelküche oder der hauseigenen Backpacker-Bar. Selten auch an Bus-Stationen, wo der Planer gezielt nach dem Bus 533 Ausschau hält, der Spontanreisende hingegen gerade nur falsch abgebogen und daher zufällig dort gestrandet ist.    

Darum hassen sie einander:   

Der Unentbehrlichkeit des Anderen wegen. Alleine reisen macht auf Dauer einsam. Der erste Schluck Bier nach einem schwülen Tag zwischen Kamikaze-Moped-Fahrern, die einen fast mit in den Tod reißen, schmeckt einfach besser wenn jemand neben einem sitzt. Der Planer kann jedoch nicht mit anderen Planern reisen, da dies häufig zu Plan-Kollisionen führt, der Spontanreisende wäre mit anderen Spontanen komplett verloren und müsste auf der Parkbank übernachten, weil alle Hostels voll sind. Gemeinsam versuchen sie der Reise-Einsamkeit zu entfliehen und sich gegenseitig zu bekehren. Die Konfusität und Planlosigkeit treibt den Planer spätestens bei der ersten unfreiwilligen Änderung seiner Reiseroute in den Wahnsinn. Dem Spontanreisenden, der des Planers Strukturiertheit zu Beginn noch amüsant findet, vergeht ebenso schnell das Lachen und er beginnt den Planer samt seiner Engstirnigkeit satt zu haben.

Das ist die besondere Schönheit dieses Konflikts:

Während der Spontane versucht gegen die klar strukturierten Routen des Planers anzukämpfen und der Planer sich verzweifelt gegen die Planlosigkeit des Spontanen wehrt, geschieht etwas, was beide nicht gleich bemerken. Der Planer und der Spontane arbeiten sich nicht nur aneinander ab - sie nähern sich auch einander an. Der Planer beginnt den Reiz spontaner Entscheidungen zu erkennen und der Spontane muss zugeben, wie beruhigend ein im Voraus gebuchtes Hostelzimmer sein kann.

Das können wir von ihnen lernen:  

Eigentlich findet der Planer den Spontanreisenden ja toll - er ist so frei, so entspannt! Der Spontanreisende bewundert hingegen klammheimlich den Durchblick des Planers, der immer weiß wie es weiter geht und keine Sehenswürdigkeit verpasst.
Bei dem Zusammenstoß zweier Grundhaltungen - strikte Planung und planloses Chaos - entsteht so etwas Neues: Die beiden treffen sich in der Mitte und üben sich in Gelassenheit und Organisation.



Text: larissa-winter - cydonna/ photocase.de

  • teilen
  • schließen