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"Man sollte immer vom Schlechtesten im Menschen ausgehen"

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Intrigen, Geheimnisverrat, Bauernopfer – Berlin ist derzeit ein bisschen wie Washington. Genauer: das Washington der Serie „House of Cards“. In der vergangenen Woche wurden Vorwürfe gegen den früheren SPD-Bundestagsabgeordnetne Sebastian Edathy öffentlich: Er soll auf der Kundenliste einer kanadischen Firma gestanden haben, die unter anderem kinderpornographisches Material verbreitete. Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich soll die SPD-Spitze schon im Oktober 2013 über mögliche Ermittlungen informiert und damit Geheimnisverrat begangen haben. Am Donnerstag wies der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die Schuld von seiner Partei auf Hans-Peter Friedrich, weil der vertrauliche Informationen weitergab. 30 Stunden später trat Friedrich als Agrarminister zurück.

Wie geht man eigentlich mit Intrigen um? Gehört das vielleicht sogar dazu? Kann man sich wehren? Das haben wir Stefan Rippler, 29, gefragt. Er ist Journalist und Autor von „Jobintrigen – Erkennen. Durschauen. Abwehren“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Hat geheime Informationen weitergegeben: Hans-Peter Friedrich, Innen- und Agrarminister a.D.


jetzt.de: Der erste Satz in deinem Buch lautet: „Politische Spielchen, in denen es um das Streben nach Macht geht, gibt es nicht nur im Bundestag.“ Da aber wohl schon besonders oft oder wenigstens besonders öffentlich. Ist das, was gerade zwischen Friedrich und der SPD gelaufen ist, eine klassische Intrige?
Stefan Rippler: Klar könnte man sagen, dass durch eine Intrige der SPD jetzt ein CDU/CSU-Minister gefallen ist. In Wahrheit ist es eher eine Kombination aus unglücklicher Kommunikation und der partiellen Unfähigkeit zu eigenen Fehlern zu stehen. Die konkreten Folgen des Anrufs von Friedrich beim SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel konnte keiner der beiden wirklich absehen. Von einer lang geplanten Intrige, in der Friedrich ein Bauernopfer und der BKA-Chef Jörg Ziercke eine Marionette sind, kann man deswegen nicht sprechen.  

Verfolgst du wegen deines Buchs den Fall Edathy mit besonderem Interesse?
Ja, aber eher weil ich gespannt bin, ob sich daraus eine Geschichte für eine deutsche Version von „House of Cards“ entwickeln lässt. Und wie man für potenzielle Intrigenopfer Tipps und Tricks aus dem Verhalten der Beteiligten ableiten kann. „House of Cards“ ist neben „Homeland“ und „Game of Thrones“ eine meiner Lieblingsserien.  

Welche Tipps und Tricks sind dir im Fall Edathy bisher aufgefallen?
Man sollte sich stets überlegen, wann man wem welche Information offenbart, und vor allem sollte man wissen, welche Konsequenz das haben kann. Man sollte immer vom Schlechtesten im Menschen ausgehen und sich fragen: Wie kann jemand diese Information gegen mich verwenden? Erst wenn man darauf eine Antwort hat und die Folgen abschätzen kann, sollte man kommunizieren. Vorher nicht. Wenn Kommunikationswege einzuhalten sind, qua Hierarchie oder Gesetz, muss man sich genau überlegen, was es bedeutet, wenn man davon abweicht.  

Am Tag von Friedrichs Rücktritt startete die zweite Staffel von „House of Cards“. Viele vergleichen das, was in Berlin passiert, mit der Serie. Zurecht?
Berlin und Washington schenken sich nicht viel in Sachen Intrigen-Dichte. Sobald es – ob in Politik oder im Job – um Beförderungen, Macht und Geld geht, ist die Intrigen-Gefahr immer sehr hoch. Annette Schavan vermutet zum Beispiel eine Intrige des anonymen Plagiatjägers. Oder Bettina Wulff: Sie musste lange juristisch gegen die Behauptung ankämpfen, sie habe im Rotlichtmilieu verkehrt. Politiker-Karrieren mit Frauen-Geschichten zu schaden ist ein Klassiker.  

Welche Formen der Intrige gibt es?
Das Gerücht ist am häufigsten. Eine gemeine Unterstellung wie: „Hast du auch bemerkt, dass Max in letzter Zeit oft Augenringe hat? Ich meine, ich habe sogar schon mal eine Alkoholfahne bemerkt.“ Wenn das jemand weiter tratscht, wird das schnell zu: „Ich habe gehört, Max ist Alkoholiker“. Das Schlechtmachen vor anderen ist ein Klassiker, mit der führungsschwache Vorgesetzte versuchen, ihre Mitarbeiter kleinzuhalten: Und dann gibt es noch das „Ins-Messer-laufen-lassen“.

Wie geht das?
Wenn man ein Projekt übertragen bekommt, das längst als verloren galt oder viel zu groß ist, sodass man völlig überfordert ist und scheitern muss.

Zum Beispiel?
Den Berliner Flughafen.  

Dann ist Hartmut Mehdorn Opfer einer großen Intrige?
Ich glaube, dass er seiner Karriere damit geschadet hat, ja. Dahinter eine Intrige zu vermuten, wäre aber vielleicht etwas weit gegriffen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

                                     Stefan Rippler

Was kann man von „House of Cards“ über Intrigen lernen?
Sehr viel. Das Wichtigste: Augen und Ohren immer offen halten und stets hinterfragen, warum jemand so handelt, wie er handelt. Spätestens, wenn man das nicht nachvollziehen kann, sollte man vorsichtig sein. Das darf aber auch nicht bedeuten, dass man allem und jedem gegenüber misstrauisch sein oder jeden Tag Angst um seinen Job haben muss. „House of Cards“ oder auch Strombergs Real-Satire zeigen einem die besten Beispiele für Intrigen. Nur wie man im wirklichen Leben damit umgeht, verrät einem kaum einer. Deshalb habe ich mit einer befreundeten Kollegin ein Buch über Intrigen geschrieben.  

Wie schützt man sich vor Intrigen?
Davor, dass einen jemand ins offene Messer laufen lässt: indem man keine Aufgabe übernimmt, die einem nicht schlüssig erscheint, oder von der man weiß, dass sie einen völlig überfordert. Gerade wenn man ein Bauchgefühl hat oder nicht versteht, warum man für ein Projekt gefragt wurde, sollte man lieber recherchieren, was das Projekt bedeutet, und auch mal „Nein“ sagen.  

Und wenn es passiert ist, wie reagiert man am besten?
Wenn man weiß, wer zum Beispiel hinter einem Gerücht steckt, würde ich den Intriganten direkt ansprechen, in einem Vier-Augen-Gespräch oder mit einer Vertrauensperson. Wurde man vor anderen bloßgestellt – einfach ignorieren. Wenn einen jemand ins Messer laufen ließ: Belege sammeln, dass man nichts mit dem Scheitern des Pro­jektes zu tun hat.

Und wenn ich in eine Intrige eines anderen hineingeraten bin?
Manchmal hilft, wie beim Gerücht, eine direkte Konfrontation mit dem Intriganten. Wenn man regelmäßig über- oder umgangen oder mit fiesen Sticheleien gemobbt wird, das direkte Ansprechen beim Vorgesetzten. Was jedoch nie hilft: zurück intrigieren.  

Wie viel Intrige braucht die Karriere?
Gar keine. Intrigantes Verhalten findet man vor allem in Konkurrenzsituationen: wenn ein Stellenabbau droht oder ein Team-Mitglied befördert werden soll. Aber niemand braucht unfaire Mittel, wenn er durch Leistung überzeugen kann.  

Gibt es Situationen, in denen es okay ist, bei einer Intrige mitzumachen?
Bei Intrigen mitzumachen ist nie okay. Sollte bei einem ungerechten Chef ein direktes Gespräch nicht helfen, bringt vielleicht ein Austausch mit ihm und anderen Mitarbeitern etwas. Erst wenn das nichts bringt, ist ein Gespräch mit ihm und seiner Führungskraft die nächste Eskalationsstufe. Aber kein Putsch!  

Kann man im Job überhaupt jemandem vertrauen?
Nein. Wenn es hart auf hart kommt, ist man im Job immer sich selbst am nächsten. Klar wird es immer Kollegen geben, die zu Freunden werden. Aber Vertrauen ist im Privatleben immer etwas anderes als im Job.


Text: kathrin-hollmer - Illustration: Katharina Bitzl

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