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Die Sex-Maschine

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Auf den ersten Blick sehen die schwarzen Geräte aus wie Designer-Vasen oder Küchengerätschaften. Tatsächlich imitieren sie aber Geschlechtsorgane: Eine technische Vagina, ein Dildo, die an den Computer angeschlossen und aus der Ferne gesteuert werden können. "Kiiroo" heißt das Projekt niederländischer Entwickler, das Online-Kontakten eine neue Dimension geben soll. Bisher werden in Chats nur Worte übertragen, am Telefon nur der Ton und bei Skype im besten Fall Bild und Ton zusammen. Entwickler und Designer arbeiten daran, in Zukunft auch Berührungen online zu übertragen. Ein weiterer Schritt in der Verschmelzung von Technik und Fleisch.

"Kiiroo" stellt zwei Dinge her: Ein Dildo für die Frau, genannt "OPue", einen "Masturbator" für den Mann, genannt "SVir". Wenn alles fertig entwickelt ist, sollen sie die Signale des jeweils anderen Gerätes übertragen. Bisher sendet nur der Vibrator an den Masturbator. Das Gerät für den Mann hat im Innern acht Ringe, die den Signalen aus der Ferne folgen, sich zusammenziehen, entspannen und so eine Vagina imitieren. In Zukunft soll auch der Vibrator auf Signale des Mannes reagieren. Zurzeit werden erste Vorführgeräte gebaut, im Sommer soll "Kiiroo" in den Handel kommen.

"Der Zulauf bei Datingwebsites, Kontaktportalen und Social Networks zeigt, dass die Leute auf der Suche sind nach Kontakt" sagt Maurice Op de Beek vom Kiiroo-Entwicklerteam aus Amsterdam. Diesen wollen sie vermitteln - indem sie Intimität über das Internet eine dritte Dimension geben. "Leute sollen sich nicht mehr nur hören und sehen können", sagt Op de Beek. In der Entwicklung ist deshalb auch ein eigenes soziales Netzwerk für Kiiroo-Nutzer, eine Art Facebook mit Sex-Möglichkeit, ohne sich tatsächlich treffen zu müssen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Miteinander verbunden dank Vibrator und Masturbator - der Traum von Fernpaaren?

Das Verlangen und Lösungsansätze für künstliche, körperliche Nähe gibt es schon länger. Auf dem Markt ist bereits "RealTouch", eine nachgebaute Vagina, die über ein USB-Kabel entsprechend der Bewegungen in Sex-Filmen reagiert. Außerdem der "Kissenger": Ein ebenfalls zweiteiliges Spielzeug, das die Lippenbewegungen des Partners über das Internet auf das jeweilige Gegenstück überträgt. Ein mehrdimensionales Social Network und ein Gerät, das wie "Kiiroo" auf Signale beim Sex reagiert, ist neu.

Die steigende Angebot an Spielzeug für den Sex auf Distanz zeigt, dass Interesse an solchen Produkten bestehen muss. Technisch seien diese Erfindungen allerdings noch weit entfernt von einer befriedigenden Sexualität, meint der international anerkannte Sexualforscher Volkmar Sigusch. Für Professor Sigusch sind sie ein weiteres Symptom für das Verschwimmen der Grenze zwischen Natur und Gesellschaft. Bereits vorher wurden der Natur in immer kürzeren Abständen Dinge und Vorgänge hinzugefügt, die normalerweise nie vorkämen: Klone, Nanotechnologie und eine künstliche Verlängerung der Fruchtbarkeitsperiode lassen Biologie und Technik, Fleisch und Elektronik immer effektiver zusammenwachsen, schreibt Sigusch in seinem Buch "Sexualität - Eine Theorie in 99 Fragmenten". Das alte Leben - und Lieben - "wird gesellschaftlich Zug um Zug abgeschafft".

Der nächste Schritt: Skype mit Gerüchen?

Als bisheriger Höhepunkt kommt nun also Sexualität aus der Distanz. Nach Hören und Sehen ist das der logische nächste Schritt, den die Technik ermöglicht. Bildtelefone waren nie ein Kassenschlager, sie waren zu teuer, die Qualität zu schlecht und außerdem brauchte der Partner auch eins. Erst mit Skype wurde eine passable Weiterentwicklung gefunden, die zum Durchbruch der Videogespräche führte. Heute ist das Programm aus keiner Fernbeziehung wegzudenken.

"Kiiroo", wird, wenn es im Sommer auf den Markt kommt, mit 300 Dollar pro Set relativ teuer sein. Ob sich das Konzept durchsetzt, wird sich erst in einigen Jahren zeigen und davon abhängen, wie menschlich Technik tatsächlich werden kann. Völlig absurd scheint die Vorstellung für viele nicht zu sein, eine Maschine als Ersatz für Nähe zu benutzen. "Menschen wollen das schon", sagt Volkmar Sigusch.

Allerdings gibt es noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Etwa Gerüche: Im Gegensatz zu einer Maschine verströmt ein Mensch individuellen Duft, der für zwischenmenschliche Interaktionen äußerst wichtig ist. Andererseits: Sexualität ist eben auch Kopfsache vermischt mit Imagination und Fantasie. Schließlich basiert der Erfolg von Pornografie auf reiner Einbildung, nämlich der Vorstellung von Sex mit einer Person, die physisch ebenso wenig anwesend ist, wie der Partner sechs Flugstunden entfernt. Wer sich also prinzipiell mit Pornos vergnügen kann, dem könnte womöglich auch eine Erfindung wie "Kiiroo" Spaß machen.


Text: benjamin-duerr - Bilder: Kiiroo.com

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