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"Unsere Texte sind wie gemischtes Hack"

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Kommt ein Frisör zum Arzt und gründet eine Band: Klaas Heufer-Umlauf, Moderator und gelernter Haareschneider, hat ein Album aufgenommen – mit Mark Tavassol, einem Arzt, der besser bekannt ist als Bassist von Wir sind Helden. Heufer-Umlauf und Tavassol nennen ihr Duo Gloria. Sie machen nachdenklichen Gitarrenpop mit deutschen Texten, keine Spur von der Dödelei, für die Heufer-Umlauf sonst bekannt ist. Zeit für ein Gespräch.      

jetzt.de: Stimmt es, dass ihr euch bei MTV kennengelernt habt? Klaas als Interviewer und Mark als Teil von Wir sind Helden?  
Klaas: Nee, wir haben uns über gemeinsame Freunde in Hamburg kennengelernt. In dieser Zeit gab es dann aber auch einige berufliche Treffen – das erste Mal beim Hurricane-Festival. Da haben gerade Rammstein gespielt, es war unfassbar laut und ich habe versucht, mit Wir sind Helden ein Interview zu führen. 
Mark: Wir haben uns dann immer mal wieder getroffen und uns gut verstanden. Irgendwann hat Klaas mir erzählt, dass er ebenfalls Musik macht. Da bin ich neugierig geworden und hab vorgeschlagen, mal was gemeinsam zu machen. Das haben wir dann getan.

Wann habt ihr beschlossen, eine Band zu werden?  
Mark: Irgendwann haben wir gemerkt, dass das gut ist, was wir da tun; und dass wir das aufnehmen müssen, weil es sonst weg ist. Und dann waren wir auf einmal so etwas wie eine Band.

Von vielen, die euer erstes Video gesehen haben, habe ich gehört: „Ist ja gar nicht mal verkehrt.“ Offenbar überrascht eure Musik die Leute positiv.  
Klaas: Uns war natürlich klar, dass wir mit der Band gegen Erwartungen und Vorurteile anspielen müssen. Die Leute kennen uns eben aus einem anderen Kontext und wissen nichts von unserer Freundschaft. Unsere Platte überrascht also in jedem Fall – positiv oder negativ. Aber wenn jemand das gar nicht mal so schlecht findet, ist das doch das Beste, was uns passieren kann!  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Es ist was Neues, die Hosen runterzulassen und sich nicht mehr hinter einer Wand aus Ironie verstecken zu können": Klaas Heufer-Umlauf und Mark Tavassol sind Gloria.

Mark, hast du das Gefühl, dass in Gloria nun mehr von dir steckt als in Wir sind Helden? Schließlich seid ihr jetzt nur zu zweit.  
Mark: Nein, gar nicht. Meine gesamte Laufbahn als Künstler war und bin ich ein Teil von Wir sind Helden. Es ist aber spannend, mit Gloria nun noch einmal ganz von vorne anzufangen und gleichzeitig diesen Erfahrungsschatz zu haben, den ich mir in den vergangenen zehn Jahren erarbeitet habe.

Klaas, dich kennt man vor allem als Spaßvogel. Nun schlägst du musikalisch eher ernste Töne an. Wie reagieren die Leute darauf?  
Klaas: Für viele ist es komisch, dass ich als Person auf einmal so greifbar werde. Ich möchte aber betonen, dass mir meine TV-Shows nicht weniger am Herzen liegen als diese Platte. Die melancholische Seite ist genauso ein Teil von mir wie die lustige. Ob bei Gloria oder bei Circus HalliGalli: In beiden Fällen bin ich ich.

Erfindest du dich mit der Musik als öffentliche Person neu?  
Klaas: Es macht mich auf jeden Fall verletzlicher. Und es ist für mich natürlich etwas Neues, so die Hosen runterzulassen und mich nicht mehr hinter einer Wand aus Ironie und Zynismus verstecken zu können.

Auf der Platte gibt es die Textzeile „Heute einfach du zu sein und gut“. Wie schwer fällt es euch, trotz eurer Bekanntheit einfach ihr selbst zu sein?  
Mark: Wir mussten uns beide noch nie verstellen – obwohl wir beide aus Branchen kommen, in denen das gang und gäbe ist. Wir hatten da aber von Anfang an ein ähnliches Selbstverständnis.

Worum geht es in dem Song?  
Mark: Dass es eigentlich immer dann am besten läuft, wenn man die Fähigkeit hat loszulassen. Zu erkennen, dass eine Sache nicht mehr wichtig ist. Es geht aber auch darum, wie schwer es ist, diese Erkenntnis in der Praxis umzusetzen.
Klaas: Das muss man einfach lernen, und das braucht seine Zeit. Das gilt auch im Privaten: Unerwartete Dinge passieren immer dann, wenn man nicht mehr so tut als ob. Wenn man sich nicht verstellt. Das hat viel mit Unsicherheit, Angst und falschen Vorstellungen zu tun.

http://www.youtube.com/watch?v=uBnqHXiTEOI Die erste Single: "Warten"

Für jemanden, der nicht in der Öffentlichkeit steht, ist das aber sicherlich einfacher als für euch, oder?  
Mark: Es gibt einen Wir-sind-Helden-Song namens „Soundso“, in dem es darum geht, dass man in verschiedenen Lebenssituationen auch verschiedene Rollen annimmt. Man verhält sich bei seinen Eltern anders als bei seinem Partner oder seinem Chef. Diese Gewalten, die da auf einen einwirken, muss man im Laufe seines Lebens erst einmal zu kontrollieren lernen. Man muss die Unsicherheiten ablegen. Insofern ist die Rolle in der Öffentlichkeit auch nur eine unter vielen.

Klaas, ist diese Platte für dich ein Zeichen des Erwachsenwerdens?
Klaas: Die Platte ist entstanden, weil Mark und ich Spaß daran haben, gemeinsam Musik zu machen. Wichtig finde ich aber, dass man nicht krampfhaft versucht, auf ewig der junge, aufregende 23-Jährige zu bleiben. Man sollte sich immer den Themen annehmen, die einem gerade am Herzen liegen. Deshalb muss man aber nicht zwangsläufig langweiliger werden. Schlimm finde ich es immer, wenn Leute versuchen, ein Bild von sich aufrecht zu erhalten, aus dem sie rausgewachsen sind. Dann wird es unangenehm für alle.
Mark: Ich frage mich ja manchmal, was bestimmte Personen des öffentlichen Lebens so machen, wenn sie von der Bildfläche verschwunden sind. Letztens habe ich die Website von Desireless entdeckt, die hatte in den 80er Jahren mit dem Song „Voyage, Voyage“ einen Hit. Die hat noch eine hochaktuelle Website, aber auf der ganzen Seite ging es fast nur um diesen einen Song, der mittlerweile fast 30 Jahre alt ist. Das fand ich ein bisschen traurig.

Wer von euch schreibt eigentlich eure Texte?  
Klaas: Wir können gar nicht mehr so genau sagen, wer was geschrieben hat. Das vermengt sich während der Arbeit.  
Mark: Unsere Texte sind ein bisschen wie gemischtes Hack: Da weißt du am Ende auch nicht mehr, was nun Schwein und was Rind ist.

Die Platte ist also euer musikalischer Mettigel...  
Mark: Nee, ein Mettigel besteht nur aus Schwein. Aber wir können uns auf Hackigel einigen.

Wäre das nicht ein super Bandname: Hackigel statt Gloria?  
Klaas: Das klingt dann aber eher nach einer Fun-Punk-Kombo, die als Vorband bei den Kassierern unten ohne spielt.  
Mark: Es gibt ja durchaus Bandnamen, die eine Karriere ausbremsen können. Hackigel wäre so einer.

Das selbstbetitelte Debüt-Album von Gloria erscheint am Freitag.

Text: daniel-schieferdecker - Foto: Erik Weiss

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