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Jungs, was soll das mit dem Pumpen?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Als ich vor ein paar Jahren noch zum Unisport ging, gab es jedes Mal um 19 Uhr die gleiche Szene: Während wir Mädels uns beim Bauch-Beine-Po über die Matten rollten, angefeuert von einer Trainerin mit Stahlbauch und durchs Mikro schepperndem Bundeswehr-Sprech, betrat eine Horde feixender Jungs die Halle. Um den Hals trugen sie, natürlich, Handtuchrollen, die sonst sorgsam bedeckten Schultern lagen auf einmal dank Muskelshirts frei. Nach kurzem Gaffen auf unsere doch eher demütigenden Übungen, verschwanden sie durch eine Hintertür in einen Raum, den ich noch nie betreten hatte. "Sicher spielen die da Basketball", dachte ich anfangs noch. Das hätte zumindest diesen lächerlichen Proll-Aufzug erklärt. 

Irgendwann aber erklärte mir jemand, was die Jungs dort im geheimen Teil der Turnhalle tatsächlich taten: Sie pumpten.  

Bis dahin war Pumpen, also das systematische Anzüchten von Muskelbergen in dubiosen Fitnessketten namens „McFit“, „Johnny M“ oder „Bodystreet“, für mich eher ein Zeitvertreib aus Hip-Hop-Videos. 50 Cent pumpt bei „In da club“. Aber doch nicht Malte Schultz aus dem dritten Semester Agrarwissenschaft.
Je mehr ich jedoch in meinem Umfeld darauf achte, um so mehr Männer entlarven sich als Pumper. Auf einmal bemerkte ich Klimmzugstangen in Türrahmen und den Kunststoff-Geruch von Trimmgeräten made in China an den Händen der Jungs.

In einer befreundeten Männer-WG schallten sogar jeden Abend für eine Stunde dröhnende Beats vom Dachboden. Dort hatten die Jungs sich einen Pump-Raum eingerichtet. Wenn man dort an der Tür lauschte, gab es allerdings nur konzentriertes Ächzen zu hören. Keine Gespräche, keine Witzchen.

Das Erstaunlichste aber ist: Nach der stündlichen Pumpeinheit wirkt ihr Jungs keineswegs genervt von der Stumpfheit eures Sports. Im Gegenteil: Frisch geduscht und hochzufrieden sitzt ihr danach in der Küche, esst Pizza und seid so kommunikativ, wie sonst nie.

Und das, liebe Jungs, erschließt sich mir einfach nicht! Worin liegt der Reiz, stundenlang in einem muffigen Zimmer den eigenen Bizeps zu strapazieren und sich danach im schlimmsten Fall noch einen Eiweißshake reinzuziehen? Mögt ihr einfach nur keinen kommunikativen Breitensport? Ist das eure Kosten-Nutzen-Denke die sagt, dass man ausschließlich durch Krafttraining schnell ein attraktiver Popeye wird? Oder ist das vielleicht einfach nur der innere Proll in euch, den ihr beim Pumpen ausnahmsweise mal ausbrechen lassen könnt?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von jan-stremmel.



Die Jungsantwort von jan-stremmel:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich höre schon das Gezeter aus den eigenen Reihen. Denn natürlich halten auch sehr viele von uns Jungs Gewichtheben für das Hobby von komplexbeladenen Prollos, genau so stumpf wie der Name "Pumpen", den wir Pumper übrigens grundsätzlich ironisch verwenden. Beispiel jetzt.de-Redaktion: Auf einen Gelegenheitspumper kommen drei überzeugte Anti-Pumper.

Ihr habt es aber auch leicht. Einen Sport doof zu finden, der im Kern daraus besteht, Metallblöcke in verschiedenen Formen und Größen gegen die Schwerkraft zu stemmen, liegt ja sehr nahe. Das Pumpen hat nämlich ein Medienproblem: Es ist ein Sport ohne sichtbaren Spaßfaktor. Wer pumpt, schießt nie einen Ball ins Kreuzeck. Wer pumpt, schlägt kein Ass, überlistet keinen Verteidiger und quert keinen Tiefschneehang. Wer pumpt, ermüdet seine Muskulatur mit größtmöglicher Effizienz. Und zwar gleichmäßig, ruhig und ohne Variationen, die irgendeine Art von Virtuosität erkennen lassen könnten.Das Pumpen liefert euch Außenstehenden also keine nachvollziehbare Befriedigung - es ist kein Sport der schönen Bilder. Das, vermute ich, ist auch schon der Hauptgrund für euer Befremden mit diesem klassischen Jungssport.

Vielleicht hilft es euch, das Prinzip Sport mal ergebnisorientiert zu sehen: Ihr kennt ja das wohlige Gefühl am Ende einer Wanderung, das erschöpfte Kribbeln nach einer Stunde Joggen, die wundervolle Müdigkeit nach – meinetwegen – einer Doppelsession Bauch-Beine-Po im Unisport. Nun, das Pumpen löst ebenfalls genau dieses bleierne Wonnegefühl aus. Nur in potenzierter Reinform und, das ist entscheidend: mit wesentlich weniger Zeitaufwand.

Ja ja, unromantisch und so, aber: Pumpen ist in erster Linie eine verführerisch effiziente Form der Ermüdung. Eine Stunde beim Pumpen – und wir schlaffen Bürojungs fühlen uns so wunderbar erschöpft, als hätten wir den ganzen Tag klafterweise Bäume gefällt. Und ja, so einen gepflegten Holzfällertrizeps finden wir an uns schon auch ganz gut.

Pumpen verhält sich also zu jeder gewöhnlichen Sportart wie eine Vitamin-C-Tablette zu einem Korb Orangen. Es ist destillierter Sport, die Reduktion auf das Wesentliche. Klar, in der Sonne und mit Freunden macht uns körperliche Ertüchtigung auch mehr Spaß als in säuerlich riechenden Muckibuden am Stadtrand. Aber hey, manchmal hat man einfach keinen Bock, einen verdammten Korb Orangen zu schälen.

Ach so, und der ganze prollige Rest, mit dem ihr das Pumpen immer in Verbindung bringt – die engen Polohemden, die eimergroßen Creatinshakes, die grotesken Luftmatratzenkörper: geschenkt. Seltsame Extremisten gibt es in jeder Sportart. Wir sagen ja auch nicht "Radeln, nein danke", nur weil sich manche Radler die Beine rasieren.

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