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"In der Jugend merkt man, dass alles endlich ist"

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jetzt.de: Grau ist die dominierende Farbe in deiner Graphic Novel. Das sieht man auf den ersten Blick. Wenn du gerade dein Leben anschaust, welche Farbe dominiert?
Lukas Jüliger: Zurzeit geht es von einem ockerfarbenen Braun wieder in etwas Helleres über, vielleicht ein angenehmer Gelbton.  

Das hört sich an, als läge eine dunkle Zeit hinter dir. Ehrlich gesagt: Man macht sich auch wirklich ein wenig Sorgen um dich, wenn man dein Buch liest.
Ja, die hab ich mir auch manchmal gemacht in der Zeit. Ich bin froh, dass ich fertig bin.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Vakuum" ist das erste Werk des 24-jährigen Hamburger Autors. In eindrucksvollen Bildern und Dialogen schildert er die Geschichte eines namenlosen Mädchens, eines Jungen, der sich in sie verliebt - und dessen besten Freundes Sho, der gar nicht mehr vorhanden ist. 

Stimmt es, dass du täglich zwölf Stunden an "Vakuum" gearbeitet hast?
Ja, manchmal auch mehr. Insgesamt hat es ungefähr zwei Jahre gedauert. Ein Jahr habe ich mir Zeit genommen, um meine Gedanken aufs Papier zu bringen, also die Geschichte zu schreiben. Gezeichnet habe ich dann neun Monate. Das war eine sehr industrielle Arbeit, an der ich mindestens zwölf Stunden am Tag saß. Zwischenzeitlich hatte ich auch noch einen Job im Museum. Das war sehr auszehrend, weil ich auch noch nachts weiter gearbeitet habe.  

Vereinsamt man bei so einer Lebensweise nicht völlig? Und es ist ja nicht so als hättest du zwischendurch einmal etwas Fröhliches gezeichnet. Deine Geschichte ist sehr düster.
Das ist tatsächlich nicht ohne. Im Nachhinein muss ich sagen, es hat mich wirklich durcheinander gebracht. Aber nebenbei hab ich auch sehr viel gefeiert. Es war die feierintensivste Phase meines Lebens. Das war der totale Ausgleich. Ich war unter der Woche nur mit Zeichnen beschäftigt, habe niemanden gesehen. Am Wochenende bin ich dann mit meinen Freunden weggegangen, habe aber am nächsten Tag trotzdem weitergezeichnet.    

Man liest oft, du hättest ein großartiges Buch über das Erwachsenwerden geschrieben. Deine Protagonisten weigern sich aber gerade erwachsen zu werden und – so viel kann man verraten – schaffen es auf ihre Weise, dem zu entgehen. Ist es nicht eher ein Buch über das Nicht-Erwachsenwerden?
Die ganze Geschichte spielt in einer Woche. "Übers Erwachsenwerden" finde ich damit sowieso ein wenig zu breit gefasst. Und ja, es ist so, dass sich diese Jugendlichen eher zurückentwickeln und sich dagegen wehren, älter zu werden.  

Wie viel von dir steckt in deinen Figuren?
In jedem wohl ziemlich genau 33,3 Prozent. Wenn ich mir die drei Protagonisten anschaue, ergibt das schon ein Gesamtbild von mir. Das habe ich auch erst mit der Zeit erkannt.

Gab es denn in deiner eigenen Jugend auch so düstere Momente, wie du sie in deiner Geschichte beschreibst?
Es gab auf jeden Fall solche Phasen. Aber konkret in der Form, wie es im Buch der Fall ist, ist nichts passiert. 

In welcher Form dann?
Darüber würde ich lieber nicht reden.  

Hat dir das Schreiben und Zeichnen geholfen, damit umzugehen?
Im Grunde hab ich mir immer viele Gedanken über den Tod gemacht. Natürlich kann man nicht alles auf mein Leben beziehen. Aber man merkt in der Jugend, dass alles endlich ist. Nicht nur die Zeit, in der man gerade lebt, sondern auch alles andere. Die Arbeit an dem Buch hat das Thema für mich greifbarer gemacht. Es war eine Möglichkeit, die Gedanken zu kanalisieren und auch eine Art von Aufarbeitung. Aber es gab auch schöne Zeiten in meiner Jugend. Die letzte Phase war besonders schön.  

Wieso?
Da hatte ich meine erste Freundin, es war eine schöne, liebesgefüllte Zeit. Meine Mutter hat mir neulich wieder erzählt, dass ich mit 18 Jahren vor ihr stand und sagte: "Ja, das könnte jetzt so bleiben."

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die Elterngeneration kommt in deinem Buch nicht gut weg. Was haben deine Eltern dazu gesagt?
Zwischenzeitlich hatte ich Bedenken, es meiner Mutter vorzulegen - aber sie ist jetzt einfach nur stolz. Wir haben ein sehr enges Verhältnis. Auch als ich so viel gearbeitet habe, haben wir oft telefoniert. Sie kennt meine Untiefen. Und ich portraitiere in dem Buch nicht mein eigenes Elternhaus. 

Gerade der Aspekt der Wärme und des Glücks ist ziemlich verstörend. In ihrer grauen Welt empfinden die Protagonisten Glück, wenn sie an einer bestimmten Stelle im Wald unter einem Wohnwagen liegen - an einem Loch, das die Assoziation mit einem Anus nahelegt. Was möchtest du dem Leser damit sagen?
Diese Form hat sich irgendwie so ergeben. Das ist genau die Szene, zu der ich gar nicht so viel sagen möchte. Nicht weil ich mir dabei nichts gedacht habe, sondern weil es eben so viel offen lässt an Interpretation. Es ist eine Knotenstelle der Geschichte. Aber ironisch oder sarkastisch ist es auf keinen Fall. 

Als sich zu Beginn ein Schüler umbringt, reagieren die Protagonisten nicht geschockt, sondern eher mit Faszination. Ist das Ausdruck einer Abgestumpftheit, die du deiner Generation zusprichst?
Es kommt der Realität ein wenig nahe. Mit generellen Aussagen sollte man immer vorsichtig sein, aber eine gewisse Stumpfheit beobachte ich schon.

Was sind deine nächsten Pläne?
Ich habe noch keine konkreten Pläne für die nächste Graphic Novel. Aber ich habe gemerkt, wie cool dieses Medium ist. Es gibt mir die totale Freiheit: Ich bin Künstler und Drehbuchautor und irgendwie auch Hauptdarsteller. Ich habe die volle Kontrolle.     

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

        



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