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Bild: Saimen/photocase.com

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Dusche, Deo, Creme. Haare an manchen Stellen ausrupfen und an anderen föhnen, bürsten, scheiteln, glätten, zurechtstecken oder toupieren. Klamotten überstreifen, doch wieder abwerfen und zu einem anderen Outfit greifen. Nase pudern, Wimpern tuschen, Kajallinie malen, Nägel lackieren. Zwei Parfümspritzer, Labello und eher zehn statt ein Spiegelkontrollblick: Ganz klar, immer noch ich inklusive meiner Makel, aber in der besten, schönsten und sehr ansehnlichen Version meiner selbst. Stundenlang kann so eine Prozedur des Zurechtmachens dauern, die gerade wir Damen vor den ersten Verabredungen mit einem vielversprechenden Jemand auf uns nehmen. Verknallt, wie man ist, soll der andere natürlich ebenfalls so empfinden – und neben Persönlichkeit und Charme wird dabei ganz selbstverständlich auch auf Oberflächenoptimierung gesetzt.      

Sobald dieser vielversprechende Jemand aber zum Weggefährten auf Dauer (oder zumindest: Monate) avanciert ist, also sobald Körperflüssigkeiten und Liebesbekundungen als auch Pläne und Probleme regelmäßig ausgetauscht werden, lässt bei vielen, die Teil einer solchen Weggemeinschaft geworden sind, das Engagement an der Oberfläche empfindlich nach. Nicht unbedingt grundsätzlich und in jeder Situation. Aber viele, die den Status Beziehung erreicht haben, lassen insbesondere dann, wenn sie sich mit jenem Menschen treffen, den sie lieben, das Schönmachen bleiben – beziehungsweise fahren es auf das Minimalprogramm der Sozialverträglichkeit herunter: für Schatz muss geduscht und deodorisiert reichen. Die Botschaft: Alles andere ist überflüssiger Luxus zu meinen fabelhaften inneren Werten, wegen denen du dich doch für mich entschieden hast! 

Ich habe eine Freundin, die immer dann ein bis zwei Kleidergrößen zulegt, sobald das mit ihrem neuen Typen ernst wird. Andere Freundinnen finden nichts dabei, ihrem Liebsten, sollten sie Zeit zu zweit daheim verbringen, fast ausschließlich in ihren Gammelklamotten, ungeschminkt und mit Strubbeldutt gegenüberzutreten. Geht es dagegen zu einer WG-Party, in einen Club oder auch nur zum Mädchenabend, dann wird wieder gepudert und parfümiert. Ein Ex-Freund von mir hat das auf männliche Weise durchexerziert: Trafen wir uns zu zweit, trug er Brille und Haare. War er alleine aus oder wir zu zweit mit anderen unterwegs, trug er Kontaktlinsen und Frisur. Das Schönheitssparprogramm in Beziehungen scheint mir also kein rein weibliches Phänomen. Es fällt bei uns wohl nur deutlicher auf, weil wir auf diesem Terrain tendenziell mehr Aufwand betreiben.      

Ich empfinde es allerdings als herabwürdigend, als Zeichen des Egalwerdens, wenn mein Freund nicht bereit ist, sich für ein Treffen mit mir zwei Linsen in die Augen zu friemeln und ein bisschen Gel in den Haaren zu verteilen, obwohl er sich die Mühe für andere soziale Ereignisse macht. Ich könnte es gut nachvollziehen, wenn sich die Freunde meiner Freundinnen insgeheim ein bisschen darüber ärgern, dass die Damen, seit sie sich der Herren an ihrer Seite sicher fühlen, ihr Sportprogramm streifen lassen und ihnen vor allem in Jogginghose und Kuschelpulli begegnen. Und es ärgert mich, dass die Freunde, wenn sie das offen aussprächen, wohl als oberflächliche Chauvis dastünden.      

Es gibt wohl kaum etwas, das schöner ist, als wenn da jemand ist, der einen so liebt, wie man ist – auch hinter der Fassade, die man für die Welt da draußen aufzieht, mit und vielleicht sogar ein bisschen wegen all der eigenen Fehler und Macken. Und auch dann, wenn man gerade völlig verschwitzt und mit knallrotem Kopf vom Sport kommt. Ich glaube allerdings genauso: Oberflächenpflege ist Beziehungspflege – und ein Zeichen von Respekt demjenigen gegenüber, den man liebt. Niemand braucht morgens aus dem Bett zu springen, sich die Wimpern tuschen und die Haare stylen, bevor der Mensch neben einem die Augen aufmacht. Aber ihm eine genauso schöne Version des eigenen Selbst wie dem Rest der Welt zu präsentieren, das sollte ja wohl drin sein.

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