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Jungs, habt ihr ein Problem mit Trösten?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Whatever you do - never give up your girlfriends.“ Das ist einer der regelmäßigen Survivalratschläge meiner Mutter, einer Engländerin mit jeder Menge Lebenserfahrung. Ob Prüfungsstress, Zukunftsangst oder Liebeskummer – Freundinnen sind ein Netz, das sich augenblicklich unter uns aufspannt, sobald wir den Boden unter den Füßen verlieren. Die paar Mädchen, die unser Innenleben seit Jahrzehnten auswendig kennen, sind wie ein professionelles Rettungsteam, das mit ausgeklügelt-routinierten Strategien kompetent auf unsere emotionalen Probleme reagiert – und uns so nicht selten den Weg zum Therapeuten erspart.  

Beziehungskrisen oder Trennungsschmerz wird engagiert der Kampf angesagt: mit Sekt und Schokolade, spontanem Club-Besuch oder dem Verleih der gesamten Abteilung „Leichte Kost“ aus der DVD-Sammlung. Oder es wird stattdessen gemeinsame Trauerarbeit geleistet, weil die beste Freundin sofort erkennt, wenn das aktionistische Wegwischen des Kummers und die Feier-Flucht nach vorn nichts besser machen. Oft hilft ohnehin nur reden, reden, reden – eine Überlebensstrategie, in der jedes Freundinnen-Hilfsbündnis jahrelange Übung hat. Und wenn wir dann mehr über uns und unsere Nöte geredet haben als der Papst über Gott sagen kann, bekommen wir auf dem Heimweg in der Bahn noch drei SMS, die uns versichern, wie wertvoll wir sind und wie sehr wir geliebt und gebraucht werden.  

Häufig haben Freundinnen außerdem die praktische Eigenschaft, auch wenn das nach heteronormativem Klischee klingt, absolute Profis im Zuhören zu sein. Ich meine nicht die Art, bei der man heimlich die Stunden zählt, die man noch mit Betroffenheitsmine im Café sitzen und hin und wieder ein einigermaßen überzeugendes „Klar, versteh ich total“ herauspressen muss. Ich meine das Zuhören, das mit der Bereitschaft einhergeht, sich in jedes Detail der Leidensgeschichte der Freundin einzufühlen, als wäre man in derselben Situation. Die Art, bei der man das Problem dreht und wendet und jeden Aspekt noch mal durchleuchtet, bis sie sich hundertprozentig verstanden fühlt. Die Art, bei der man sich von einer tränenerstickten Stimme immer wieder die gleiche Geschichte anhört – und aufmerksam bei der Sache ist, obwohl man schon zum dritten Mal aus dem Bett geklingelt wurde.  

Ein Freund hat mir neulich gestanden, in verzweifelten Momenten durchaus neidisch zu sein – auf uns, die wir immer unser eingespieltes Freundinnen-Rettungsteam im Rücken haben, wenn es uns schlecht geht. Da drängt sich mir ein trauriges Bild auf: Von besten Kumpels, die bei der Klangkulisse von The Streets’ Dry Your Eyes stumm einen Kasten Bier leeren, bis am Ende des Abends ein verkrampftes „Andere Mütter haben auch schöne Töchter, gell?“ im Raum hängt und der überforderte Freund erleichtert ist, wenn der Trostsuchende endlich nach Hause torkelt.  

Manchmal hat man den Eindruck, dass Freunde mit Problemen ein Gefühl panischer Hilflosigkeit in euch auslösen, weil ihr denkt, sofort eine Lösung parat haben zu müssen. Einen Satz, der alles wieder gut macht. Oder tun wir euch mit dieser Vermutung unrecht? Habt ihr in Wirklichkeit doch ein ähnliches Rettungsteam wie wir, das sich das Trösten notfalls im Schichtwechsel teilt? Was tut ihr, um euch gegenseitig wieder auf die Beine zu helfen? Wer fängt euch auf?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von christian-helten.



Die Jungsantwort von christian-helten:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Am Anfang dieser Antwort muss ich erst mal Entwarnung geben, was dein trauriges Bild von der stummen Bierkastenrunde bei The Streets-Untermalung angeht: So schlimm ist es nicht um uns bestellt, wir sind der freundschaftlichen Trauer- und Tröstarbeit durchaus fähig.  

Allerdings hast du in manchen Punkten durchaus Recht. Uns fehlt die totale Souveränität, mit der ihr diese Freundschaftsdienste meistert, der sichere Griff in eine gut bestückte Kiste der Heilmittelchen. In Panik verfallen wir deshalb nicht. Aber während ihr in solchen Trostfällen wie ein versierter Handwerker in einen gut sortierten Werkzeugkoffer greift, müssen wir erst mal ein bisschen überlegen, welche Werkzeuge wir jetzt brauchen und wo genau sie eigentlich herumliegen. Es ist nämlich schon ein bisschen her, dass wir sie das letzte Mal benutzt haben. Denn – und das ist wohl der größte Unterschied zwischen euch und uns auf diesem Gebiet – wir sind keine Team-Tröster. Unsere innersten Gefühle und intimsten Dinge teilen wir durchschnittlich glaube ich mit weniger Geschlechtsgenossen als ihr. Wir haben eher einen oder zwei allerbeste Freunde als vier oder fünf. Das bedeutet natürlich, dass wir seltener in die Situation kommen, einem besten Freund über Trennungsschmerz hinweghelfen zu müssen – und dass wir weniger Routine darin entwickeln.  

Das führt dazu, dass unsere Trösterei weniger ganzheitlich ausfällt, wir bieten kein großes Rundumprogramm, bei dem wie in eurem Fall von Sekt und Schokolade bis zum stundenlangen Problemgewälze gleich alles parat steht und zu dem jeder seinen Teil beiträgt. Wir müssen uns jedes Mal von neuem erst Mal ein bisschen in die Trösterrolle hineinfinden. Aber das überfordert uns nicht, wir schaffen das schon. Kann sein, dass wir dabei manchmal zuerst ein bisschen daneben greifen. Aber das merken wir dann schon. 

Ich glaube, dass unsere vergleichsweise spärlichere Trösterei aber auch damit zu tun hat, dass der zu Tröstende auf stundenlanges Reden gar nicht so erpicht ist. Die Frequenz und Intensität, in der wir uns in Gefühlsfragen updaten, ist ja generell ein bisschen geringer als bei euch. In solchen Gesprächen gibt man sein Innerstes Preis, und in diesem Innersten sind natürlich auch bei uns lauter Probleme und Ängste und mitunter auch eine Menge Traurigkeit – lauter Dinge, die wir nicht so selbstverständlich nach außen kehren, wegen dieses nun mal immer noch nicht ganz verschwundenen Bildes vom starken Mann. So befreiend und wichtig es ist, sich zum Beispiel nach einer Trennung auszukotzen und alles mit dem besten Freund durchzukauen, es ist immer auch mit ein bisschen Überwindung verbunden, und wir sind ein bisschen froh, wenn wir wieder damit aufhören können.

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