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Geheime Gesetze (5): Ärgerlicher Aufriß

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Das Gesetz:
Verpackungen sind grundsätzlich so gestaltet, dass man sie möglichst schwer öffnen kann.    

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wer den Menschen für die Krone der Schöpfung hält, sollte ihm beim Öffnen einer Verpackung zuschauen. Da wird Gottes Ebenbild zum Tier, beißt und kratzt und kämpft – und scheitert doch unweigerlich. Statt brav hinter einem passablen Durchlass zu warten, verteilt sich der Kakao, der Reis, die Milch bald über Tisch und Herd, Fußboden und Stolz. Eine maximal missliche Öffnung verärgert spätere Nutzer und erinnert den Schuldigen auf ewig an seine Niederlage. Twitterin yeahsara gesteht: „Nach Jahren schaffe ich es immer noch nicht eine Müsli-Packung aufzumachen, ohne dass sie aussieht, als hätte eine Schildkröte damit gefickt.“  

Verpackungslegastheniker sind jedoch in Wahrheit die Opfer eines Geheimen Gesetzes. Denn die meisten Hüllen sind keineswegs schlaue Abkürzungen ins Glück, wie die Propaganda ihrer Perforationen uns glauben machen will. In Werbefilmen mag ein Beau mit einer nonchalanten Handbewegung selbst komplizierte Umfassungen so lässig öffnen wie James Bond exotische Büstenhalter. In der Wirklichkeit sind Verpackungen jedoch gar nicht dazu da, geöffnet zu werden. Sie sollen vielmehr den Zugang zum Produkt so lange erschweren, bis man einen Teil davon unbrauchbar gemacht hat. Oder entnervt aufgibt und ein neues Exemplar kauft. In geheimen Labors tüfteln Designer, Psychologen und andere Sadisten an der Verpackung mit dem höchsten Verschüttungsgrad, an einer ultimativ frustrierenden Hürde, die dem Verbraucher signalisiert: Es liegt nicht an Dir, es liegt an mir. Ich bin ein Mängelexemplar, bitte kauf mich noch einmal, irgendwann klappt es mit uns. Diese feindliche Verpackung gibt einen verheißungsvollen Blick, vielleicht eine lockende Prise Geruch des Produktes frei. Aber vernünftig aufmachen lässt sie sich nicht. Im Nahkampf mit der Außenhaut verschüttet man genug des Himalayasalzes oder beschädigt die Glastischplatte dermaßen, dass man nichts mehr davon hat.

Diese immer gleiche Abfolge von Reiz und Scheitern erinnert manch Unglücklichen an seine Liebesbiographie. Ein trauriger Gedanke, zumal nicht mal ein heißer Trostkakao verfügbar ist. Es bleibt, wie so oft angesichts der zermürbenden Probleme des Alltages, nur der Griff zur Flasche. Denn hat man das Prinzip der Kronenkorken und Drehverschlüsse einmal verstanden, sind Bier und Schnaps verlockend einfach zu erreichen. Mit einem Handgriff ist man erlöst, denn betrunken sollte kein Mensch Verpackungen öffnen müssen. Und wer Rum hat, braucht keinen Kakao. 

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