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„Der unverhoffte Exzess bereitet mir die größte Freude“

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jetzt.de: Ihr werbt derzeit für euch mit dem Satz: "Berlin hört man uns an." Was sagt das denn über Berlin aus?
Mieze: Als Berliner begreift man den Berliner Wahnsinn nicht – weil man ihn selbst täglich lebt. Es ist die Draufsicht der anderen, die einem bewusst macht, dass man mit der eigenen Musik das Lebensgefühl von Berlin transportiert. Wir sind ja sehr viel gereist und haben im Ausland oft den Satz gehört: Ihr klingt nach Berlin!
Andy: Was Berlin ja schon seit einigen Jahrzehnten auszeichnet, ist dass die Stadt als Standort für Leute, die in irgendeiner Weise schöpferisch arbeiten, wahnsinnig interessant ist. Weil Berlin total billig ist. Das erlaubt einem natürlich vieles. Zum Beispiel kann man sich spezialisieren und sich vielleicht auch mehr Zeit für das lassen, was man macht.
Mieze: Wobei das wahrscheinlich auch nur noch fünf Jahre lang so sein wird. Dann wird Berlin das nächste München und danach das nächste London. Dadurch, dass Berlin so günstig ist, werden ja auch Leute angezogen, die die Preise nach oben treiben.   

Über diese Tendenz beschweren sich viele Künstler. Die ärgern sich vor allem über die vielen Zugezogenen …
Mieze: Die Stadt ist, was du daraus machst.  

Und eure Stadt ist in Ordnung?
Bob: Es gibt schon Leute, die sich über die extrem vielen Zugezogenen der letzten Jahre aufregen. Aber vor zwanzig Jahren sind ja auch schon ständig Leute zugezogen, das macht doch Berlin auch aus. Diese Art der Veränderung ist doch toll!
Andy: Alle Leute, die schon länger hier sind, sehen diesem Schauspiel auch ganz gelassen zu. Es kann ja jeder jederzeit gehen, niemand muss bleiben. 

In euren Liedern beschreibt ihr die Stadt weiterhin als Abenteuerspielplatz. Ist sie das denn noch?
Mieze:
Das ganze Leben ist für mich ein einziges Abenteuer. Gerade die letzten Jahre waren voller intensiver Eindrücke und Erfahrungen. Hauptsache, es ist nicht langweilig! Ich lebe ja jetzt, und Leben bedeutet für mich zu fühlen und die Dinge wirklich intensiv zu erleben: die aufgeraute Seele, der glückliche Moment, das tiefe Fallen – das alles ist für mich Lebendigkeit, danach sehne ich mich.  

Und was ist langweilig?
Mieze: Gleichmut. Es gibt viele, die sich bemühen, mit Gleichmut an etwas heranzugehen, um den Pegel weder zu stark nach oben noch zu sehr nach unten ausschlagen zu lassen. Aber das ist nicht meine Philosophie. Ich habe diese Ausschläge erlebt, in jede Richtung, und genau das macht das Leben für mich spannend und unverwechselbar.  

Zählt dazu auch eine gewisse Risikobereitschaft? Einmal singst du auf eurem neuen Album, du würdest am liebsten ohne Fallschirm fliegen ...
Mieze: Der Song „Fallschirm“ spiegelt sehr direkt wieder, woher wir kommen. Wir kommen von einer Reise. Einer Reise rund um die Welt, aber auch einer nach drinnen, ins eigene Universum. Es geht darum, sich immer wieder voller Inbrunst ins Leben zu stürzen.  

Ist es nicht auch anstrengend, immer auf der Suche nach etwas Intensivem zu sein?
Andy: Kann sein. Aber es geht dabei ja auch darum, zunächst bei sich selbst anzukommen und sich erst dann in Dinge reinzuwerfen, von denen man vorher nicht weiß, wie sie sein werden. Kontrollverlust erträgt man nur, wenn man mit sich selbst cool ist.  

Mieze, in einem anderen Song besingst du das Berliner Nachtleben. Bist du denn noch viel unterwegs in der Stadt, wenn es dunkel wird?
Mieze: Ja, und das auch sehr gerne. Ich habe im letzten Jahr zum Beispiel viele Konzerte und Shows besucht.  

Suchst du nachts auch nach dem Exzess?
Mieze: Ich habe ja die Momente am liebsten, in denen man nur mal kurz irgendwo vorbei gehen will, weil da ein Kumpel hinter der Bar arbeitet, den man lange nicht gesehen hat. Nur mal kurz, man will eigentlich nicht mal die Jacke ausziehen. Und dann ist es plötzlich morgens um Sechs, und man denkt: Das kann doch nicht wahr sein – und jetzt ein Frühstück! Der unverhoffte Exzess bereitet mir die größte Freude. Ich weiß nicht, ob an einem geplanten Absturzabend genauso viel Euphorie entstehen könnte.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Tacheles“ von Mia. erscheint am 9. März auf Island/Universal.

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