Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Wort ohne Bedeutung

Teile diesen Beitrag mit Anderen:


Wer sich auf die Suche nach dem Ursprung des Begriffes Cyber macht, sollte hartnäckig sein. Eine genaue und eindeutige Erklärung liefern weder der Duden noch das ach so cybermäßige Google. Und das, obwohl der Begriff ziemlich häufig auftaucht, wenn es um Phänomene geht, die mit dem Internet zusammenhängen. Da ist die Rede von Cyber-Sex, Cyber-Kriminalität und Cyber-Mobbing. Das Verwendungsmuster ist eigentlich immer dasselbe: Ein Begriff, der aus der Zeiten, bevor es Internet gab, schon bekannt ist, braucht irgendwann ein Äquilvalent in der virtuellen Welt. Also schnell ein Cyber- davorgehängt, und schon weiß jeder was gemeint ist. Und trotzdem erscheint einem das Wort seltsam oldschool, fast schon anachronistisch. Man muss an das längst vergangene Second Life denken und an Tom Cruise, der in dem Film "Minority Report" (2002!) mit komisch verkabelten Handschuhen in der Zukunft herumwischt.

Und irgendwie stimmt das sogar. Der Begriff stammt eigentlich aus der Literatur und wurde schon vor 30 Jahren erfunden. 1982 schreibt der amerikanische Science-Fiction-Autor William Gibson die Kurzgeschichte „Burning Chrome.“ Sie handelt von einer bösartigen Puffmutter, die ihren Prostituierten Elektroteilchen ins Gehirn einpflanzt, damit diese auch bei den ekligsten, heftigsten und gewaltvollsten Orgien stets zum Orgasmus kommen. Zwei gutherzigen Hackern gelingt es dann aber mit Hilfe einer speziellen Computersoftware der Puffmutter all ihr Geld zu stehlen und so die Prostituierten zu retten.

Diese mit blutrünstigen Details gespickte Geschichte war es, die der Welt ein neues Wort gebracht hat. Denn die spezielle Computersoftware der Hacker nannte Autor William Gibson „Cyber Space Seven.“ In einem Interview mit der New York Times einige Jahre später verriet Gibson dann, dass das Wort keinerlei Bedeutung habe. Ihm gefalle es aber trotzdem sehr gut, denn vom Klang her mache es jawohl einiges her.

Da hatte er wohl recht. Denn seitdem hat sich das Wort, gehypet durch Medien und Literatur, über die ganze Welt verbreitet. Cyberspace wurde zum Trendwort. Es folgte der Cyberpunk, die Cyberkultur und der Cybernaut. Heute verstehen die meisten unter Cyberspace die von einem Computer erzeugte Erlebniswelt, eine Art virtuellen Rückzugsraum, der der Zeitverschwendung dient. Außerdem stellt es die Presse eben gerne als Präfix vor alles, was mit dem Internet zu tun hat.

Da sich das einzige Modewort der 80er nun schon seit circa 30 Jahren aufrecht erhält, werden wir es wohl auch in Zukunft weiter hören.

Text: lena-niethammer - Foto: Norman Bates / photocase.com

  • teilen
  • schließen