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"Durch die Taten einzelner gerät die gesamte Protestaktion in Verruf"

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Irgendwie haben wir uns schon an diese Reflexkette gewöhnt: Sony klagte 2011 gegen zwei Hacker, die Informationen über das Kopierschutzsystem der PlayStation 3 veröffentlicht haben sollen. Anonymous griff daraufhin die Internetseite von Sony an. Kim Schmitz wurde verhaftet und der One-Click-Hoster „MegaUpload“ geschlossen. Anonymous legte die Websites des FBI, des US-Justizministeriums sowie einiger Plattenfirmen lahm. Die Unterzeichnung des ACTA-Abkommens wurde öffentlich. Der Web-Auftritt des EU-Parlaments ist für mehrere Stunden nicht erreichbar.  

 In Polen demonstrieren die Menschen auf der Straße gegen das ACTA-Abkommen.  

Am Anfang waren die DDoS-Angriffe von Anonymous irgendwie cool, irgendwie rebellisch. Wenn wir ehrlich sind, haben wir uns gefreut, dass die „Großen“ auch mal einen Dämpfer abbekommen – und dass es jetzt welche gibt, bei denen man sich einer Reaktion sicher sein konnte, als wäre das Kollektiv ein neues Kontrollorgan.  

Langsam fragen sich immer mehr, ob diese Art des Protests aber die richtige ist und ob es nicht friedlichere Formen der Demonstration gäbe. Natürlich hat Anonymous damit für viel Aufmerksamkeit gesorgt. In User-Kommentaren und in meinem Umfeld taucht aber immer häufiger die Frage auf, ob das Kollektiv mit seinen permanenten Angriffen der demokratischen Gegenbewegung zu ACTA am Ende sogar schadet.  

Bei den Attacken des Hacker-Kollektivs wird natürlich niemand körperlich verletzt, doch in ihrer Wirkung sind sie aggressiver als Demonstrationen auf der Straße – und dabei nicht unbedingt effektiver. Im Fall von ACTA waren die Internetseiten des Parlaments lahmgelegt. Der Rat der Piratenpartei an die Bevölkerung, die EU-Abgeordneten wegen ACTA zu kontaktieren, war ohne deren Adressen auf der Website hinfällig. „Es gibt Teile von Anonymous, die ihrer Wut über ACTA keinen anderen Kanal geben können. Andere Teile wie Anonymous Hamburg arbeiten produktiv gegen ACTA durch Flyer, Infokampagnen und Aufklärung", sagt Stephan Urbach vom Bündnis „Stopp ACTA“ der Piratenparteien aus der Schweiz, Deutschland, Mexiko, Luxemburg, Österreich, Großbritannien und Schweden, das neben dem Informationsblog „stopacta.de“ eine Informationskampagne gestartet hat. Ferhat Dogruol von „stopacta.de“ stimmt zu: "Wir unterstützen zwar den Aufklärungsgedanken von Anonymous, jedoch sehen wir auch, dass durch die Taten einzelner die gesamte Protestaktion in Verruf gerät."  

Ist ein friedlicher Protest im Internet aber überhaupt möglich? Was wäre im Netz das Adäquat zur Straße, auf die man gehen könnte? Hat man sich zu lange auf Anonymous verlassen? Die US-amerikanische Stiftung Avaaz betreibt eine internationale Beteiligungsplattform, in der man seit kurzem eine Online-Petition gegen das ACTA-Abkommen unterzeichnen kann. Von den erstrebten 1,5 Millionen Teilnehmern sind bereits mehr als 1,4 Millionen erreicht (Stand: 18.30 Uhr). Aleks Lessmann, der stellvertretende Pressesprecher der Piratenpartei, würde auch lieber eine friedliche Form der Demonstration sehen: "Sinnvoller und auch gewinnbringender wäre es, Petitionen zu unterschreiben, die Parlamentarier anzurufen oder anzuschreiben – und vor allem auf die Straße zu gehen."  

Am Ende läuft es doch auf den Protest auf der Straße hinaus. Eine Gruppe auf Facebook ruft zu Protesten gegen ACTA am 11. Februar auf. In Deutschland planen die europäischen Piratenparteien unter anderem in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, München und Stuttgart Aktionen. In Polen waren in der vergangenen Woche bereits 500.000 Menschen auf den Straßen, um gegen das ACTA-Abkommen zu protestieren - und waren damit weit eindrucksvoller als digitale Attacken es je sein könnten.


Text: kathrin-hollmer - Foto: dpa

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