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Nasse Socken und Herrenslips

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jetzt.de: Eure neue Platte „Befehl von ganz unten“ macht wieder einmal einen sehr umstürzlerischen Eindruck. Gab es einen speziellen Grund für die erneute Systemkritik?
Philipp: Ich empfinde das gar nicht so. Für mich hat das Album eher etwas Motivierendes. Die Songs sind sehr lebensbejahend und nicht mehr so destruktiv wie auf „Arbeit nervt“. Die miesepetrigen Inhalte haben uns damals selbst ganz schön runtergezogen.
Ferris: Kann ich nicht sagen. Mir hat das eher Energie gegeben.
Philipp: Ja, aber die kam durch die Musik, nicht durch die Inhalte. Die Message war schon ziemlich bedrückend.
Porky: „Arbeit nervt“ war ein Brecheisen-Album. Das neue ist eher...
Ferris: ...ein Querschnitt...
Philipp: ...aus unserem Leben. Allerdings sehr subtil vorgetragen, und nicht nach dem Motto: Wir sind traurig, weil ein Bandmitglied von uns verstorben ist oder wir sind geil, weil wir damit Geld verdienen.  

Aber so ein Song wie „Illegale Fans“ über die Download-Problematik...
Philipp: ...ist natürlich ein Thema für uns. Denn klar: Auch wir wollen das Geld der GEMA abgreifen. Insofern ist der Song durchaus augenzwinkernd zu verstehen.
Porky: Ich finde es auch falsch, irgendwelche Teenies zu verknacken, nur weil sie ein paar Mp3s geklaut haben. Das ist doch albern. Letzten Endes weiß doch eh keiner, wie es mit dem Platten-Business weitergeht. Das steht in den Sternen, und einen Major-Plan gibt es leider nicht.  

Also seht ihr das illegale Downloaden nicht als Problem?
Philipp: Nein. Für uns ist das gute Promo. Wir, als mittelgroße Band, profitieren davon. Das ist ein tolles Mittel, um populär zu werden und Leute dazu zu bewegen, auf unsere Konzerte zu kommen. Ich meine: Wir spielen durchweg in ausverkauften Häusern. Das wäre ohne das Internet sicherlich nicht der Fall. Wenn wir nicht immer schon einen so starken Fokus auf unsere Live-Shows gelegt hätten, gäbe es uns vermutlich gar nicht mehr.
Porky: Für die Kids von heute ist ein Plattenladen eben nicht mehr so ein Tempel wie für uns damals. Für die war Musik immer schon frei verfügbar. Das ist deren Lebensrealität. Die sind so sozialisiert worden. Und da kämpft die GEMA dann mit Elefanten gegen Windmühlen – oder wie das heißt (lacht).  

Große Bands wie Metallica verklagen illegale Downloader, obwohl sie es finanziell wohl verkraften könnten. Das wäre also nicht euer Weg?
Porky: Nein, das finde ich peinlich. Die haben doch sogar ihre Tour vorverlegt, weil sie Angst vor dem Wertverfall des Euros haben und dadurch weniger verdienen würden. Was für geldgeile Säcke – typisch amerikanisch. Das finde ich voll asi.
Ferris: Okay, das ist zwar peinlich, aber immerhin ehrlich.
Porky: Solche Ansagen zu machen und den Regenwald abzuholzen – das ist nicht mehr weit voneinander entfernt. Aber vielleicht haben die das auch nur vorgeschoben, weil James Hetfield seiner Frau versprochen hat, 2013 mal mit ihr am Nordpol zu bumsen. Oder die haben einen Atombunker auf dem Mond und stellen sich nach der Tour schon mal auf den Weltuntergang ein. Wer weiß? 

Habt ihr denn, von Downloads einmal abgesehen, schon mal geklaut?
Ferris: Ich bin schon mal beim illegalen Downloaden von Filmen erwischt worden und musste 2.400 Euro Strafe für Filesharing zahlen – das war 2010. Und als Kind bin ich schon mal bei Woolworth erwischt worden. Ich war etwa neun Jahre alt und habe Murmeln geklaut. Das war das erste Mal, das ich so etwas getan habe und wurde gleich erwischt.
Philipp: Ich auch: Bei Hertie. Ich habe John-Sinclair-Kassetten für eine Freundin geklaut, die Geburtstag hatte. Meine Mutter musste mich dann dort abholen. Das war echt peinlich. Aber danach war ich auf jeden Fall geheilt und habe nie wieder etwas gezockt.  

Für viele Leute seid ihr eine Band, die vor allem Spaß verbreitet – obwohl ihr auf dem letzten Album auch viele kritische Töne angeschlagen habt. Nerven euch mittlerweile mehr Sachen als früher oder habt ihr einfach mehr Lust, darüber zu schreiben?
Philipp: In erster Linie sind wir Musiker. Wir wollen geile Musik machen. Im Zuge dessen möchten wir aber auch Themen aufgreifen, die uns bewegen. Und zwar gerne auf plakative Art und Weise.
Porky: Wir versuchen jedoch oft, uns von den Inhalten zu distanzieren und eine Nebenwelt zu schaffen – also Dinge anzusprechen, ohne als fanatischer Nerd dazustehen. Auch als Fan von Deichkind hat man immer noch das Recht auf eine eigene Meinung.
Philipp: Wir sind ja auch oft ein wenig satirisch. Wir wollen nicht sagen: Illegales Downloaden ist scheiße oder geil, sondern spiegeln lediglich die Ist-Situation wieder. Ich finde es immer komisch, wenn sich Leute ganz krass für etwas einsetzen, was mit ihnen eigentlich nichts zu tun hat.
Porky: Das verpufft dann ja auch ganz schnell wieder, und davon möchten wir uns frei machen. Deichkind ist ja kein Gefängnis, sondern ein offener Raum.

Ihr tragt das Spaßige, Kindliche ja auch im Bandnamen. Verpflichtet das auch zu einer Art „unvoreingenommenem Spaßversprechen“ an eure Fans?
Philipp: Ja. Und das genießen wir auch. Insofern können wir einen Song wie „Illegale Fans“ schreiben, ohne zwangsläufig dazu Stellung beziehen zu müssen. Das ist eine Art von Narrenfreiheit, um die wir sehr froh sind.  

Ihr habt mal gesagt, Deichkind sei eine Projektionsfläche – ein leeres Gefäß, in das jeder das hineinfüllen kann, was er will. Was habt ihr nach eurer letzten Platte aus diesem Gefäß herausgekippt und was habt ihr für das neuen Album hineingefüllt?
Porky: Wir haben gar nichts rausgeschüttet. Das Gefäß muss man sich wie einen umgedrehten Goldesel vorstellen – da kann man so viel reinstopfen, wie man will. Das ist ein Fass ohne Boden, aus dem nichts rausgenommen, sondern bloß mehr reingestopft wird. Wir besitzen ganze Hallen voll mit kreativem Müll.  

Die Frage, ob auch Frauen im Bandkonzept „Deichkind“ denkbar wären, habt ihr mal mit den Worten bejaht: „Weniger Proll und Machismo könnten nicht schaden.“
Philipp: Ach, das war Quatsch. Frauen haben bei Deichkind nichts zu suchen. Wir sind eine Männerband – mit nassen Socken und Herrenslips.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Befehl von ganz unten“ erscheint am 10. Februrar bei Universal

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